Süddeutsche Zeitung

Große Pläne:Medizinische Masken made in Moosburg

Orhan Söhmelioglu leitet einen Großhandel für Gastronomie- und Laborbedarf, nun will er mit einem Partner selbst in die Produktion einsteigen

Von Alexander Kappen, Moosburg

Die SWS-Schüler GmbH ist bereits seit 60 Jahren im Geschäft. Sie ist ein Großhandel für Gastronomiebedarf und Serviceverpackungen und bietet auch diverse andere Produkte für Gewerbebetriebe an. Medizin- und Laborprodukte zählen ebenfalls zum Sortiment. Das Kerngeschäft der Firma, die seit 2014 im Moosburger Gewerbegebiet Degernpoint ihren Hauptsitz hat, ist jedoch "der Vertrieb von Produkten, die in der Gastronomie ihren Einsatz finden", wie es im Unternehmensprofil auf der Schüler-Homepage heißt.

So war das mal. Vor Corona. "Covid-19 hat auch unsere Geschäftsfelder verändert, darauf mussten wir reagieren", teilt Orhan Söhmelioglu, Geschäftsführer der SWS-Schüler GmbH, jetzt mit. "Vor Corona war die Nachfrage an unseren Hygiene-Artikeln deutlich geringer." Vorher habe man problemlos den Bedarf aus Deutschland decken können. Inzwischen jedoch sei der Einkauf dieser Waren innerhalb Deutschlands fast unmöglich, so Söhmelioglu. "Daher müssen wir nun importieren - unter anderem auch Mundschutzmasken."

Und das nicht für irgendwen und nicht im kleinen Stil. Der gebürtige Moosburger Söhmelioglu, 39, und sein Landshuter Partner Volkan Akoglu, Geschäftsführer der Back Süd GmbH, beliefern das Bundesgesundheitsministerium mit fünf Millionen medizinischen Schutzmasken, die sie in China besorgt haben. Für diesen Auftrag haben sie bei einer Ausschreibung ebenso den Zuschlag bekommen wie für die Lieferung von monatlich zwölf bis 14 Millionen medizinischen Masken, für welche die Geschäftspartner gerade eine eigene Produktion aufbauen. In drei Monaten muss alles laufen, am 14. August ist laut Vertrag die erste Lieferung fällig. "Ein sportliches Ziel", wie Söhmelioglu weiß.

Bereits jetzt vertreibt seine Firma die ebenfalls begehrten Einwegmasken, von denen er und Akoglu vergangene Woche 4000 Stück als Spende für Moosburger Vereine und Organisationen im Rathaus übergeben haben. An das Rote Kreuz in Moosburg gehen 500 Stück, ebenso an die Moosburger Feuerwehr. Die restlichen Masken bekommen die Feuerwehren Pfrombach-Aich und Thonstetten (jeweils 300 Stück), die Mittelschule (400), die Moosburger Kindergärten (1000), das Behindertenwohnheim und die Tafel (je 500). "Bitte nicht sauer sein, wenn der eine oder andere Verein nicht dabei ist", sagt Söhmelioglu: "Wenn wir unsere Produktion erfolgreich starten, werden wir versuchen, auch noch viele andere zu unterstützen." Man habe mit den Masken bisher schon gutes Geld verdient, es sei ihm deshalb ein Anliegen, "der Gesellschaft etwas zurückzugeben".

Durch den Handel mit und die Produktion von Masken wollen Söhmelioglu und seine Partner "natürlich auch Geld verdienen, wir sind Geschäftsleute", sagt er. Aber sie sehen sich auch als Teil einer höheren Mission, wenn man es mal überspitzt ausdrückt. Man wolle helfen, "die Weichen zu stellen", so Söhmelioglu. Die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass die Bundesrepublik nicht in der Lage sei, sich selbst mit wichtigen medizinischen Produkten wie eben Masken zu versorgen. "Es wird Zeit, dass die Produktion wieder nach Deutschland geht."

Bevor in spätestens drei Monaten die Produktion in Moosburg oder Umgebung starten soll, haben Söhmelioglu, Akoglu und ein weiterer Partner erst einmal fünf Millionen Medizinmasken für die Regierung im Ausland besorgt. Es handele sich um besonders flüssigkeitsresistente Masken vom Typ 2R, die viele Konkurrenten am Markt nicht anbieten könnten, so Söhmelioglu. Diese seien sehr schwer zu besorgen, man habe "hart dafür gekämpft". Die fünf Millionen Masken aus China wurden per Charterflug nach Frankfurt gebracht, wo sie am Montag vom Zoll freigegeben wurden. Man warte jetzt auf Informationen aus dem Gesundheitsministerium, "wann und wohin wir sie liefern sollen", so Söhmelioglu. Derweil arbeiten er und seine Partner fieberhaft daran, ihre eigene Produktion aufzubauen. "Wir werden diese Woche die nötigen Maschinen anzahlen, um das in Schwung zu bringen." Gesucht wird eine Halle mit rund 1200 Quadratmetern. Dankbar sind Söhmelioglu und seine Mitstreiter für jede Unterstützung. Insgesamt 49 Firmen hätten in Deutschland den Zuschlag für die Produktion der Masken erhalten, sagt er, "und jeder kämpft mit den gleichen Problemen".

Alle benötigen die Materialien für die Masken, die am Markt knapp sind. "Wir probieren alles, aber wir werden auch Hilfe benötigen", so Söhmelioglu. Man suche Partner aller Art, ob Investoren, Textillieferanten, Vermieter, die eine Halle zur Verfügung stellen können, oder Mitarbeiter, die in der Branche schon Erfahrung haben. Wenn alles gut geht und die Produktion starten kann, will SWS-Schüler mit seinen derzeit 14 Mitarbeitern Personal einstellen und dadurch 20 neue Arbeitsplätze schaffen.

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Quelle:
SZ vom 06.05.2020
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