Süddeutsche Zeitung

Mittten in der Region:Das neue Corona-Ich

Wenn sogar das Smartphone das eigene Gesicht nicht wiedererkennt, weiß man: Das vergangene Jahr war nicht einfach

Glosse von Anja Blum

Corona richtet viele Schäden an - auch kollaterale. Was unser aller Optik angeht, zum Beispiel. Der Friseurbesuch ist zum Abenteuer geworden, weswegen so mancher Schopf langsam wirklich aus der Form gerät. Hinzu kommen: wenig Bewegung sowie umso mehr Essen und reichhaltige Getränke, schließlich darf man sich ja sonst nichts mehr gönnen. Das alles hat bekannte Folgen. Die Jeans zwickt, die Bluse spannt. Doch das macht ja nicht wirklich was, im Homeoffice sind ohnehin Jogginghose und Schlabberpulli angesagt. Schwerer wiegen da vermutlich schon jene Veränderungen, die vergleichsweise schwer zu reparieren sind: All die grauen Haare und zusätzlichen Falten, die uns die Krise mit ihren vielschichtigen Verwerfungen beschert.

Insofern könnte es gut sein, dass sich bald Menschen, die sich eigentlich gut kennen, aber sehr lange nicht mehr begegnet sind, voller Verwunderung gegenüberstehen. Nach dem Motto: Warst Du nicht mal gepflegter, dünner und irgendwie jünger? Ach ja, die Pandemie bringt nicht unbedingt das Beste von uns ans Tageslicht. Aber auch die berühmt-berüchtigte KI könnte Probleme machen, wie nun ein Vorfall kürzlich erahnen lässt: Früh morgens, eine Freundin ruft an, völlig aufgelöst. Ihr Handy sei gesperrt, weswegen sie auf einige wichtige Daten nicht zugreifen könne, ob man Rat wisse. Was passiert ist? Das Telefon hatte seine Besitzerin einfach nicht mehr erkannt. Die Gesichts-ID, sonst stets zuverlässiger Türsteher, verweigerte schlicht den Zugriff. Den Pin aber hatte die Freundin, Tücke der modernen Technik, so lange nicht mehr benutzt, dass die Eingabe misslang. Mehrmals. Da hatte sie den Salat.

Und die Moral von der Geschicht'? Wer ganz sicher wiedererkannt werden möchte, sei es von Freunden oder einer KI, sollte trotz Corona auf sein Äußeres achten. Wer all dem gelassen gegenübersteht - schließlich gibt es derzeit womöglich dringlichere Probleme - der möge es sich bitte weiter gut gehen lassen. Und statt auf eine Kamera lieber auf einen Zettel setzen.

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Quelle:
SZ vom 04.05.2021
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