Mitten in Neufahrn:Bedingte Liebe zur Natur

Mitten in Neufahrn: Kreuzspinnen töten ihre Beute mit Gift und lagern sie auch gerne mal als handliches Päckchen.

Kreuzspinnen töten ihre Beute mit Gift und lagern sie auch gerne mal als handliches Päckchen.

(Foto: Christian Endt)

Warum Spinni, die martialische Kreuzspinne, ihr Netz in der Küche am Ende verlassen muss.

Eine Kolumne von Alexandra Vettori

Artenvielfalt ist gefühlt das Wort des Jahres, erst Bürgerbegehren, dann Blühwiesen - und jetzt sitzt da eines Morgens dieses kleine Spinnentier in der Küche in einem nächtens gewobenen Netz zwischen Getreidemühle und Smoothie-Mixer. "Die darf bleiben", beschließt der Familienrat, sogar die arachnophobe Tochter des Hauses ist einverstanden.

Natur braucht Raum, das hat man bei den Debatten um die Artenvielfalt gelernt. Dem Garten ist das schon anzusehen, warum nicht auch der Küche, zumal Spinnen, wie der gelehrte Sohn des Hauses doziert, wirklich nützlich sind. Die Zahl der lästigen Fruchtfliegen werde sie sicher reduzieren. Tags darauf hat das Tierchen auch einen Namen - "Spinni".

Das neue Haustier beendet die Fruchtfliegen-Invasion

In den folgenden Wochen macht sich das neue Haustier tatsächlich wohltuend bemerkbar, die Fruchtfliegen werden weniger. Bald zeigt sich ein Kreuz auf dem Rücken des dicklichen Körpers, es ist also eine Garten-Kreuzspinne, die in die Küche gezogen ist. Giftig ja, aber wegen der sehr kurzen Giftklauen (!) ungefährlich für den dickhäutigen Menschen.

Verfängt sich aber eines der Mücklein in Spinnis Netz, kommt das sonst meist bewegungslos in selbigem hängende Tier mit rasender Geschwindigkeit an, packt die Beute, spinnt sie ein und lässt sie verschwinden, entweder einverleibt oder in einer dunklen Ecke unter dem Küchen-Hängeregal verstaut. So gewinnt der Mensch Einblicke in natürliche Kreisläufe, quasi en passant beim Gemüse schnippeln. Auch Versuche werden gestartet, etwa, was Spinni macht, jagt man ihr mehrere Fruchtfliegen gleichzeitig ins Netz. Und ja, sie fetzt hin und her und tötet alle.

Spinnen wachsen richtig schnell

Womit keiner im naturaffinen Haushalt gerechnet hat: Kreuzspinnen wachsen richtig schnell. Das jähe Erschrecken (Spinnis Körper ohne Beine ist schon daumennagelgroß) ist nicht in den Griff zu kriegen, die Gänsehaut beim Betrachten von Spinnis brutalen Beutezügen auch nicht. Die Mutter des Hauses arbeitet nur noch an der linken Ecke der Anrichte, die Tochter verzichtet auf Smoothie und Getreidebrei, und irgendwann ist der Tag von Spinnis Umzug gekommen.

Der Sohn transportiert sie vorsichtig in den Garten, alle Mitbewohner sind dabei, ein bisschen traurig und mit schlechtem Gewissen, denn wirklich strapazierfähig scheint die Liebe zur Natur nicht zu sein. Trost bringt das Tierlexikon. Danach meiden Kreuzspinnen menschliche Häuser, denn Wärme und niedrige Luftfeuchtigkeit lassen sie austrocknen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: