Mitten in Moosburg:Stimmung im Vielvölkerstaat

Warum es schade ist, dass es keine holländischen Autocorsos gibt

Von Alexander Kappen

Soll keiner sagen, dass die Moosburger sich nur für ihren eigenen Kram interessieren. Also gut, sie diskutieren im Internet durchaus ausführlich bis exzessiv und mit großer Hingabe ihren eigenen Kram. Aber nicht nur. Wenn auch der letzte der rund 18 000 Einwohner seine Meinung zur Belebung der Innenstadt kundgetan oder empört gepostet hat, dass Bäume niedermetzeln am Amper-Überleitungskanal echt pfui ist, dann schaut man gerne auch mal über den Tellerrand hinaus. Die Moosburger - zu ihnen gehören Menschen aus annähernd 100 Nationen - sind ein internationales Völkchen und haben sehr wohl ein Bewusstsein dafür, dass es auch in der großen weiten Welt Dinge von Belang gibt, mit denen es sich zu beschäftigen lohnt.

So kann es also schon mal vorkommen, dass an einem Dienstagabend, gegen elf Uhr, in einer Moosburger Facebook-Gruppe aus gegebenem Anlass ein Bild gepostet wird, auf dem Folgendes zu sehen ist: ein durchgestrichener Oranje-Wohnwagen mir dem Text "EM 2016. Wir müssen draußen bleiben." Und ein anderer User stellt ein Foto online, auf dem im Stil eines Elektromarkt-Werbeprospekts geschrieben steht: "Machen Sie es wie die Holländer, erleben Sie das Finale vor dem Fernseher." Fußball verbindet. Von Moosburg bis Maastricht, vom Amperkanal bis Amsterdam.

Was die einen womöglich dazu bewegt, ihren voreilig gebuchten Sommerurlaub im EM-Land Frankreich zu stornieren, animiert die anderen zu mancher Frotzelei. Wobei das nicht als niedere Schadenfreude abgetan werden darf, sondern schlichtweg dem Umstand geschuldet ist, dass im Vielvölkerstaat Moosburg einfach wesentlich mehr Türken als Holländer leben. Deren Nationalteam ist durch das klägliche Scheitern der Oranjes nämlich in Frankreich mit dabei. Und falls die türkischen Fußballer bei der EM von Sieg zu Sieg eilen, sorgen ihre Landsleute in Moosburg mit den obligatorischen Autocorsos für die dort allseits geforderte Belebung der Innenstadt. Von holländischen Wohnwagenkolonnen, die sich in vergleichbaren Fällen hupend durchs Moosburger Zentrum schlängeln und für gute Stimmung sorgen, ist bislang jedenfalls nichts überliefert.

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