Süddeutsche Zeitung

Mitten in Moosburg:Geheime Radlkontrollfahrt

An der "Fahrradhauptbereisung" dürfen nur Experten teilnehmen. Die Ergebnisse werden aber nicht geheim gehalten

Glosse von Thilo Schröder

Eine gute Handvoll Menschen werden sich an einem Tag in näherer Zukunft in Moosburg an einem geheimen Ort treffen, und zu einer noch geheimeren Radltour im Stadtgebiet aufbrechen. Wo genau, an welchem Tag und wer dabei ist, soll hier nicht verraten werden. Denn es handelt sich um "keine öffentliche Veranstaltung!", wie die städtische Klimaschutzmanagerin Melanie Falkenstein in einer Presseeinladung schreibt. Was ist da los? Sind etwa dunkle Mächte am Werk? Übernimmt ein rollender Radl-Clan die Stadt?

Ganz so dramatisch ist es nicht. Anlass für die nicht-öffentliche Tour ist, dass Moosburg sich als fahrradfreundliche Kommune zertifizieren lassen möchte. Dafür ist eine - aufgrund der Corona-Pandemie verschobene - "Fahrradhauptbereisung" nötig, wie es in der Mitteilung weiter heißt. Der Begriff wirkt etwas sperrig, Verwaltungsdeutsch eben. Aber damit nicht genug: Er scheint zudem derart ausgefallen zu sein, dass ganze null Treffer angezeigt werden, wenn man ihn in eine Suchmaschine eingibt. Mysteriös.

Indes scheint es natürlich nachvollziehbar, dass eine unabhängig agierende Bewertungskommission nicht mit der kompletten Stadtgesellschaft im Gepäck auf Radltour gehen möchte. Wie sähe das denn sonst aus? Wohl eher wie eine Radldemo, wie es sie vor gut einem Jahr auch in Freising gab, getragen unter anderem vom dortigen Radentscheid. Und der wiederum hält von der Zertifizierung der Domstadt als fahrradfreundliche Kommune relativ wenig. Gut möglich also, dass eine öffentlich auftretende Bewertungskommission auch in Moosburg sogleich von Radlaktivisten instrumentalisiert würde, die dann einen "Radentscheid Moosburg" ins Leben rufen. Und Bürgerentscheide mag man in kommunalen Verwaltungen ja oft nicht so gern, greift dem lieber vor.

Aber wer weiß, vielleicht kommt ja alles ganz anders. Darum erst mal diese, wie war das noch gleich: "Fahrradhauptbereisung" abwarten. An der darf immerhin die Presse teilnehmen, allzu verschworen kann es dabei also nicht zugehen.

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Quelle:
SZ vom 18.10.2021
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