Süddeutsche Zeitung

Mitten in Freising:Strom durch die Wand jagen

Lesezeit: 1 min

Auch eine Tiefgaragen-Sanierung kann so richtig spannungsgeladen sein

Von Alexander Kappen

Wenn eine Tiefgarage mal knapp 40 Jahre auf dem Buckel hat und in all der Zeit nie mit einer aufwendigen Sanierung behelligt worden ist, dann ist es irgendwann mit ein bisschen Drüberstreichen nicht mehr getan ist. Dann müssen die Experten ran, um - wie es in der Fachsprache heißt - flächendeckende Potenzialfeldmessungen zur Bestimmung des chloridinduzierten Korrosionspotenzials der Bewehrung durchzuführen und die Carbonatisierungstiefe zu überprüfen. Klingt komisch, is' aber so. Im Fall der Tiefgarage des Freisinger Dom-Gymnasiums brachten diese Untersuchungen übrigens ans Licht, dass die "Chloridwerte in den tragenden Bauteilen stellenweise deutlich überhöht" sind und die Messungen "im Bereich der Fundamente und Stützenfüße auf großflächige aktive Bewehrungskorrosionen" hinweisen. Klingt auch komisch, is' es aber nicht. Denn im Prinzip bedeutet das nichts anderes, als dass einem der ganze Laden irgendwann vielleicht um die Ohren fliegt, wenn nichts getan wird.

Und jetzt kommt - das kann im Schulalltag ja nicht schaden - etwas Spannung ins Spiel. Um zu verhindern, dass das Chlorid all die Fundamente, Stützfüße und sonstigen wichtigen Bauteile weiter munter zerfrisst, könnte man ein so genanntes kathodisches Korrosionsschutzsystem installieren. Oder laienhaft ausgedrückt: ein bisserl Strom durch die Wände jagen. Gut, das treibt vielleicht die Stromrechnung ein wenig in die Höhe, macht aber andererseits der Korrosion den Garaus - und hat vielleicht ja auch noch ein paar weitere, nützliche Nebeneffekte.

Schüler, denen beim intensiven Chatten am Pausenhof der Saft ausgeht, könnten einen Abstecher in die Tiefgarage machen und kurz ihre Smartphones ans Gemäuer halten, um den Akku aufzuladen. Graffiti-Sprayer, die sich ohne offiziellen künstlerischen Auftrag auf der Garagenwand verewigen, lassen künftig die Finger davon, wenn sie bei diesem elektrisierenden Erlebnis eins auf die Pfoten bekommen. Und das Problem des wilden Urinierens wird praktisch schon unterbunden, bevor es überhaupt entsteht. Wer seine Notdurft an einer stromdurchfluteten Säule verrichtet, macht das womöglich nur einmal.

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Quelle:
SZ vom 08.12.2016
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