Zugegeben: Die moderne Mutter hat es schwer. Wirklich mütterlich - weich, fürsorglich, aufopfernd - soll sie nicht rüberkommen. Die via Facebook und Instagram stetig präsente Selbstoptimierungsgesellschaft wünscht sie sich lieber hart, effizient und fotogen. Selbst Topmodel Gisele Bündchen geriet durch die Geburt ihrer Kinder in eine tiefe Sinnkrise und sehnte sich nach den Zeiten zurück, in denen ihre Brüste nicht nur bei Säuglingen, sondern auch bei Millionen Followern Entzücken hervorriefen.
Insofern lässt sich gut nachvollziehen, was zwei junge Mütter dazu trieb, die Kulisse des Freisinger Volksfestes für eine originelle Multimedia-Inszenierung zu nutzen. Gut vorbereitet - im Edel-Dirndl, mit Edel-Zöpfen und edel-dezentem Make-up - parken sie drei der vier sie begleitenden, ebenfalls sehr adrett herausgeputzten Kinder zunächst in einem der Fahrgeschäfte. Dann holt die etwas blondere Mit-Dreißigerin - in der Folge Mutter zwei genannt - zwei Vampir-Gebisse aus Plastik aus ihrer Trachtentasche. Die Requisiten finden ihren vorgesehenen Platz im jeweiligen Mund der Damen. Diese recken das Kinn (ein doppeltes gilt es unbedingt zu vermeiden), halten ein rosa glänzendes Smartphone nach oben, werfen sich in Pose und grinsen samt perlweißen Fangzähnen in die Kamera.
Ausgerechnet in diesem Moment fällt der mangels Erreichens der nötigen Altersgrenze nicht vom Fahrgeschäft betreute Nachwuchs die Treppe desselben hinunter und schlägt sich den Ellbogen auf. Das etwa zweijährige Mädchen fängt an zu weinen. Die Mütter haben jedoch keine Wahl, sie müssen weiter tapfer lächeln, ein Abbruch der Fotosession wäre fatal. Die Kleine plärrt lauter, Passanten drehen sich um. Mutter eins zuckt, Mutter zwei hält sie von einer übereilten Reaktion ab. Das Kind steht vor einem hysterischen Anfall. Ein Mann erbarmt sich, hebt die Kleine auf, tröstet sie. Das Mädchen beruhigt sich. Mutter zwei frohlockt: "Cooles Bild."