Süddeutsche Zeitung

Mitten in Freising:Ganz im Gegenteil

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An manchen Tagen warten besondere Herausforderungen

Glosse von Peter Becker

Von einem guten Kompliment kann ich zwei Monate leben", sagte der Schriftsteller Mark Twain. Am Montag wäre der passende Augenblick gewesen, Komplimente zu verteilen, schließlich war da der "Tag des Kompliments". Aber bitte keine, die in irgendeiner Form als sexistisch aufgefasst werden können, denn: Komplimente sollen die Seele streicheln. Gut, dass es den Radiosender FM 4 gibt, der einen morgens stets darüber aufklärt, was an dem jeweiligen Tag so alles en vogue ist. Würde man achtsam, oder wie es heute so schön heißt: woke, durchs Leben wandeln, hätte man am Montag genügend Zeit gehabt, anderen Leuten zu schmeicheln. Nicht nur am Abend dem Ober auf seine Frage, ob es denn geschmeckt hat, zu antworten: "Danke, sehr gut."

Am Dienstag wurde es dann kompliziert. Da tönte aus dem Radio, dass heute "National Opposite Day" sei. Opposite . . . bitte was? "Gegenteil-Tag, Gegenteil-Tag", übersetzte die Moderatorin quietschvergnügt den englischsprachigen Kollegen. Entstanden ist dieser spezielle Tag offenbar aus einem Kinderspiel. Da muss der eine das Gegenteil von dem sagen, was der andere gerade behauptet hat. Vielleicht ist es Zufall, dass der Gegenteil-Tag auf den des Komplimentes folgt. Ein Schelm, wer am 25. Januar obligatorisch mürrisch dreinblickende Menschen als Frohnaturen bezeichnet. Wäre der Gegenteil-Tag heuer auf den Montag gefallen, hätte man sich bei den ungeimpften und keinen Mundschutz tragenden Spaziergängern bedanken können, dass sie so aufrichtig um die Gesundheit der Menschheit besorgt sind.

In manchen Gegenden ist zudem anscheinend immer Gegenteil-Tag. Der Fernsehkoch Björn Freitag lachte vor Kurzem seine Mitköchin aus, als die auf eine Bitte hin antwortete: "Sehr gerne!" Freitag klärte die verdutzte Frau auf, dass diese Phrase im Ruhrpott, verharmlost ausgedrückt, nichts anderes bedeutet als "Rutsch mir doch den Buckel runter."

Wer das Ende des Gegenteil-Tags feiern wollte, durfte sich am Abend übrigens einen Irish Coffee brauen. Für den ist am 25. Januar ebenfalls Gedenktag.

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Quelle:
SZ vom 26.01.2022
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