Süddeutsche Zeitung

Mitten in Freising:Eine Chance für die Szene

Was die Lockdown-Löwenmähne möglicherweise mit der Zukunft der Kneipen zu tun haben könnte

Eine Kolumne von Thilo Schröder

Eine große rebellische studentische Szene hatte Freising trotz des Campus in Weihenstephan eigentlich nie, so berichten es Zeitgenossen. Immerhin, das "Et Cetera" an der Oberen Hauptstraße und sein Vorgänger an der Ziegelgasse, das Podestl, waren früher Studentenkneipen. Damals, in den wilden 70ern und 80ern, als Hippies und andere Alternative regelmäßig für Bierschwemmen, Bandabende und so manche krachende Kneipennacht sorgten. Davon zeugen vergilbte Schwarz-Weiß-Fotos aus jener Zeit. Nach monatelangem Lockdown gibt es zwar erst recht keine Szene, allein so manche Frisur - zerzaust, langhaarig, rebellisch wider Willen - dürfte jenen typischen Mähnen aus der Hippie-Zeit inzwischen ähneln.

Damit ist es demnächst vorbei, denn Frisiersalons dürfen am 1. März wieder öffnen. Das ist natürlich schön. Ein Liefer-, Mitnahme- oder Abholservice ist für diese Branche quasi unmöglich, die Frisur to go muss noch erfunden werden (Perücken seien hier mal ausgeklammert). So manch eine grazile Gazelle wird in den Tagen nach besagtem 1. März unter der Lockdown-Löwenmähne zum Vorschein kommen. Andere haben sich zuletzt vielleicht selbst geholfen, zur Bastelschere oder zum Rasierer gegriffen oder kennen zufällig privat eine Person, die das Handwerk beherrscht.

Aber wie ist das jetzt mit einer Szene in Freising? Vielleicht können zerzauste Lockdown-Locken dafür einen Anstoß geben! Vielleicht war man in den vergangenen Jahren einfach nicht bereit für rebellisches Verhalten oder hatte schlicht anderes im und auf dem Kopf? Sollte dem so sein, dann wäre jetzt doch die Chance schlechthin, das zu ändern. Der Retrolook ist ohnehin im Trend. Frisiersalons müssten darunter nicht leiden, auch rebellisches Haar will gepflegt sein.

Ob dann auch wieder mehr junge Menschen ins "Et Cetera" oder allgemein in Freisinger Lokale gehen, wenn diese irgendwann wieder öffnen dürfen, und ob dort wieder wilder gefeiert wird, wie in den Siebziger- und Achtzigerjahren, ist eine andere Frage.

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Quelle:
SZ vom 18.02.2021
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