Süddeutsche Zeitung

Mitten in Freising:Der Mohr gehört zu Freising

Der Mohr ist seit fast 1000 Jahren Bestandteil der Freisinger Geschichte. Und auch wenn Name und Abbildung rassistische Züge tragen mögen - er wird es bleiben

Von Johann Kirchberger

Ob man sich nun Böses dabei denkt oder nicht. Manche sprachlichen Benennungen, bei deren Gebrauch sich früher niemand etwas dachte, gelten heutzutage als diskriminierend und sind verpönt. Der Zigeuner etwa oder der Neger. Mit der Folge, dass Speisekarten geändert werden müssen, Kinderlieder nicht mehr gesungen, Kinderspiele nicht mehr gespielt werden dürfen und der einstige Negerkuss nun als Schaumwaffel mit Schokoguss sein Dasein in den Supermarkt-Regalen fristen muss.

Mittlerweile steht auch die Bezeichnung "Mohr" auf dem Index und gilt als rassistisch, als kolonialistisch geprägt, weil er den Menschen auf seine Hautfarbe und Rasse reduziert. Der Mohr ist für so manchen Sprachpolizisten der Begriff für einen unterwürfigen afrikanischen Diener, der versklavt wurde. Versucht man nun ein Synonym zu googeln, kommt man nicht so recht voran. Neben gängigen Schimpfwörtern tauchen Bezeichnungen wie Schwarzafrikaner oder Menschen mit dunkler Hautfarbe auf. Aber auch diese Begriffe gelten nicht mehr als das, was heutzutage der political correctness entspricht.

Damit haben Stadt, Landkreis und Kirche ein Problem, das sich bisher noch niemand anzupacken traute. Was nämlich wird jetzt aus unserem "Freisinger Mohr", der früher im Dominnenhof stand und seit 1904 am Fürstendamm unentwegt Wasser aus einem Füllhorn trinkt? Was wird aus dem Wappen der Freisinger Fürstbischöfe, dem Wappen des Landkreises und der Gemeinden Eching, Zolling und Fahrenzhausen? Sogar im Wappen von Papst Benedikt ist der Mohr vertreten - mit dunkler Haut, dicken Lippen, krausem Haar und großen Ohrringen, aber auch mit Krone.

Wie der Mohr in das Wappen des Bistums Freising gekommen ist, darüber gibt es nur Vermutungen. Nicht weniger als 24 Deutungen bietet das Diözesanmuseum an. Sie erstrecken sich vom heiligen Mauritius, einem Afrikaner, bis zur Interpretation eines bayerischen Sklaven oder eines von den Fürstbischöfen bewusst gewählten starken Widerparts des bayerischen Löwen. Manche Heraldiker behaupten auch, Bischof Otto von Freising soll der Mohr für seine Teilnahme am zweiten Kreuzzug verliehen worden sein. Andere glauben, das Ganze sei ein großes Missverständnis und gehe von einer irrigen Umdeutung auf vorheraldische Münzprägungen aus. Dem Künstler, heißt es, seien die Lippen des heiligen Korbinian etwas zu dick geraten, wodurch ein Mohr entstanden sei. Hat der Mohr nun seine Schuldigkeit getan?

Nein, wie immer er auch in das Freisinger Wappen geraten sein mag, der Mohr ist seit fast 1000 Jahren Bestandteil der Freisinger Geschichte. Und auch wenn Name und Abbildung rassistische Züge tragen mögen - er wird es bleiben. Anders als der Negerkuss, der wird wohl schon bald in Vergessenheit geraten und auch als Mohrenkopf nicht mehr reüssieren.

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Quelle:
SZ vom 11.06.2015
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