Mitten in Freising:Dahoam is Dahoam

Die Rückkehr vom Homeoffice ins angestammte Büro kann zuweilen die Sehnsucht nach Normalität nicht stillen

Von Thilo Schröder

Das Gefühl, dass an diesem Tag alles anders sein würde, stellt sich schon beim Aufwachen ein. An diesem Tag heißt es früh aufstehen statt Snooze-Taste drücken, Jeans anziehen statt in die Jogginghose schlüpfen, zur S-Bahn-Station sprinten statt sich auf den eigenen Sessel zu fläzen. Dieser Tag, wie ihn vermutlich viele Büroarbeitende schon erlebt oder noch vor sich haben, er ist die Rückkehr an den Arbeitsplatz. Zumindest für einen kurzen Moment.

Manches ist an diesem Tag vertraut. Die S 1 nach Freising kommt wie so oft ein bisschen zu spät, weil ein Regionalzug zuerst durchfahren darf. Die Menschen auf dem Bahnsteig haben die Hände in den Jackentaschen vergraben und stieren umherschlendernd auf den Boden, wahrscheinlich noch im Halbschlaf. In Neufahrn hebt man intuitiv den Kopf, schaut nach vorne, nach hinten, sucht nach der obligatorischen Person mit Rollkoffer, die etwas unsicher und angestrengt der Durchsage lauscht, dass man zum Flughafen jetzt in den hinteren Zugteil umsteigen müsse. Man schaut vergeblich, es fährt niemand Ortsfremdes zum Flughafen in dieser Zeit. Wieso auch?

Im Büro angekommen, schließt man die Tür auf. Niemand ist da, natürlich. Eine Kollegin wird später kommen. Man richtet sich ein, setzt Kaffee auf. Das Surren der Maschine durchbricht die Stille, derer man sich jetzt erst richtig bewusst wird. Man zieht die Schuhe aus, weil man sich im Homeoffice daran gewöhnt hat, in Wollsocken und Puschen herum zu schlurfen. Aber im weitläufigen Büro ist es zu kalt dafür. Die Schuhe wieder an, dafür die dampfende Tasse zwischen die Hände und rein in die Videokonferenz. Denn die Kolleginnen und Kollegen sind ja im Homeoffice.

Am Abend läuft man zum Bahnhof, mit einem seltsamen Gefühl im Bauch. Die Sehnsucht nach Normalität, so richtig gestillt wurde sie an diesem Tag nicht. Dafür ist das Homeoffice inzwischen zu normal geworden. Man steigt in die S-Bahn und freut sich auf den nächsten Arbeitstag, dann wieder daheim.

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