Wer findet, auch lokalpolitische Gremien, also Gemeinde- und Stadträte, seien abgehoben und dem Volke fern, sollte einmal eine Sitzung in Fahrenzhausen besuchen. Da fängt die Bürgernähe schon beim Ambiente an: Ländlich rustikal, in der Stube des Alten Wirts, sitzen die Gemeinderäte an alten Wirtshaustischen. Der Alte Wirt, auch das sollte man wissen, ist das älteste Gasthaus im Ort, vor Jahren hat es die Gemeinde gekauft, um es vor dem Verfall zu retten. Weil sich kein Wirt findet, wird da jetzt geheiratet und es tagt der Rat. Das Volk sitzt Letzterem dabei sprichwörtlich im Nacken, auf den gleichen Stühlen, nur ohne Tische.
Und weil man sich kennt in Fahrenzhausen und den vielen Dörfern, die dazu gehören, und zwar in der Regel beim Vornamen, nehmen es alle nicht so genau mit dem Rederecht, wie es die Gemeindeordnung vorsieht. Kein Mensch käme auf die Idee, Rederecht für Nicht-Ratsmitglieder zu beantragen und darüber abzustimmen, wie es anderswo oft genussvoll zelebriert wird. In Fahrenzhausen nutzt der Rat lieber die Schwarmintelligenz, etwa wenn Edi aus Appercha am besten weiß, ob die Bachauskehr jetzt schon war. Jüngst ist der Bürgermeister aber schon mal deutlich geworden. Da wollte ein älterer Herr was beisteuern, als noch nicht einmal die Ratsdebatte eröffnet war. "Jetzt lass erst mal den Gemeinderat reden", so des Bürgermeisters Ermahnung, und der Herr wartete brav.
Überhaupt war diese Sitzung spannend. Viele Gemeinderäte waren entschuldigt, dazu tagte man eine halbe Stunde früher als sonst. So warteten alle bangen Blicks auf die Wirtshaustür, ob die Beschlussfähigkeit gegeben sein würde. Neun Anwesende, Bürgermeister inklusive, braucht es dazu beim eigentlich 17-köpfigen Gemeinderat. Als Nummer neun endlich eintraf, war die Erleichterung groß. Der Bürgermeister eröffnete die Sitzung und mahnte: "Es darf halt keiner befangen sein."