Mitten in der Region:Das Ende aller Ausbrüche

Kolumne von Korbinian Eisenberger

Ein wichtiger Termin, Eile - und dann: ein Fahrschulauto. Es fährt so langsam, dass jeder Rentner-Gehwagen ein rasanter Schlitten dagegen wäre. Grillen zirpen. Die Räder des Wagens drehen sich so unmerklich, dass Spinnen zwischen Reifen und Kühlergrill Netze weben könnten. Es ist, als würde der Wagen stehen. Und damit genau einer dieser Anlässe, an denen man eigentlich sämtliche Manieren vergisst und sich in Flüchen ergeht. Trotzdem ist das Gemüt in diesem Moment milde wie ein Spätwintertag.

Ist einem der verlässlichsten Auslöser für cholerische Ausbrüche seine Wirkung abhanden gekommen? Nicht ganz. Es ist eher eine Wirkungsumkehr. Während die Tachonadel unweit des Nullbereichs Zuckungen vollzieht, arbeitet der Motor der Gedanken auf Hochtouren. Ist doch der Zeitverlust durch einen lahmen Fahrschüler ein im Lockdown nahezu in Vergessenheit geratenes Erlebnis. Eine Erinnerung aus grauer Vorzeit, die das Gedächtnis aus den hintersten Hinterstübchen zwischen synaptischen Spinnweben hervorkramt.

Es ist genau einer dieser Anlässe, wo aus Erinnerung Vorfreude wird. Wie sehr man doch all das wieder herbeisehnt: Vollgestopfte S-Bahnen, wo einem schwitzende Schlachtenbummler lauwarmes Bier über die Hose gießen. Massenbesichtigungen, bei denen man sich mit zwei Dutzend Bewerbern durch eine Wohnung schiebt. Staus auf der gesperrten A 8 Richtung Süden bei 30 Grad im Schatten. Zu fünft im Kleinwagen ohne Klimaanlage. Allein die Vorstellung löst höchste Glücksgefühle aus.

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