Mitten im Lockdown:Businesshemd trifft Jogginghose

Ein Plädoyer für den einst verpönten Schlabberlook

Glosse von Thilo Schröder

Sie ist in der Regel sehr bequem, flauschig, oft individuell ausgewählt und dürfte nach fast einem Jahr ständigen Zuhause-Seins im Gesäßbereich inzwischen etwas durchgescheuert sein. Der Modeschöpfer Karl Lagerfeld soll einst Menschen, die sie gerne tragen, vorgeworfen haben, die Kontrolle über ihr Leben verloren zu haben. Wie falsch er doch mit dieser Einschätzung lag. Denn ungeachtet derlei einseitiger Kleidungskritik, hat die Jogginghose, um die es hier geht, nicht erst seit, aber noch einmal verstärkt durch Corona einen Siegeszug erlebt.

Was sich vielerorts im Homeoffice, Homeschooling oder Home-was-auch-immer zeigt: Der Schlabberlook taugt eben nicht nur gemäß seinem Klischee für LAN-Partys, Dosenbier-Treffen vor der Tanke oder ganz allgemein für den Protest gegen die Anzug- und Smart-Casual-Kleidungskultur. Der Schlabberlook verkörpert vielmehr eine Form von Pragmatismus, ja geradezu lässiger Erhabenheit wider eine Zur-Schau-Stellung der Mode. Der Schlabberlook ist in Teilen sogar so weit vorgedrungen, dass Modelabels sich ihm explizit widmen.

Dieser Text soll kein revolutionärer für oder wider einen Sinn für Mode sein. Kann er auch gar nicht, denn die Karl Lagerfeldsche Logik scheint schon lange zum Randphänomen in der Jogginghosen-Debatte verdammt. Zu recht. Im Corona-Lockdown sieht man zunehmend Menschen in gebügeltem Hemd und zerknitterter Joggingbuchse. Mal beim schnellen Gang zum Bäcker in der Mittagspause, mal, nachdem die Webcam im Videomeeting verrutscht ist.

Das ist gut so. Es kann Menschen auf eine Weise zusammenbringen, wenn Managerin und Mitarbeiter, Lehrer und Schülerin einander im ähnlichen Kleidungsstil begegnen. Dieser Text soll darum ein Plädoyer sein: für den Schlabberlook, für seine Implikationen, auch für den Kauf von weiteren, bestenfalls nachhaltig produzierten Jogginghosen. Die Modehäuser im Landkreis stehen da sicher mit Rat und Tat zur Seite. Damit der Lockdown trotz hohen Verschleißes gut gekleidet überstanden wird. Und sich vielleicht ein bisschen von dieser modischen Lässigkeit in die Zeit danach überträgt.

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