Mitfahrbänke im Landkreis Freising:Kein Ersatz für den Nahverkehr

WIPPENHAUSEN. Mitfahr-Bank

Auch in Wippenhausen gibt es neuerdings eine Mitfahrbank.

(Foto: Johannes Simon)

Die Bänke werden dort, wo es sie schon gibt, eher zögerlich angenommen. Vor allem junge Menschen setzen darauf - als ergänzendes Angebot. Andere haben Sicherheitsbedenken oder wünschen sich digitale Lösungen dazu.

Von Thilo Schröder, Freising

In Wippenhausen und Kirchdorf stehen seit Ende September Mitfahrbänke. Sie sollen helfen, enorme Taktlücken im Bussystem zu überbrücken. In Moosburg und Eching gibt es solche Mitfahrgelegenheiten schon seit ein paar Jahren. Die Nutzungs-Bilanz fällt dort allerdings ernüchternd aus. In Freising scheiterten bisherige Versuche, eine Bank aufzustellen. Auch in den Sozialen Medien ist man skeptisch. Manche dort sehen in solchen Angeboten ein politisches Eingeständnis, dass der Ausbau des Nahverkehrs nicht vorankommt. Andere sind von Mitfahrbänken im ländlichen Raum durchaus angetan und nutzen sie auch.

"In Orten, in denen der Bus nur einmal am Tag rumkommt, ist das eine tolle Lösung"

"Gerade in Orten, in denen der Bus nur einmal am Tag rumkommt, ist das eine tolle Lösung", schreibt Wanderbloggerin Doris Schinagl aus Nandlstadt auf Instagram. "Ich bin selbst Autofahrerin und kenne es, dass man Nachbarn ohne Auto auf dem Fußweg zum oder vom Einkaufen mitnimmt und die Strecke und das Schleppen von Einkäufen so etwas komfortabler macht. Gerade für die kleinen Ortschaften ohne Einkaufsangebote könnten Mitfahrbänke vieles selbstverständlicher machen." Auch Nutzerin Charlotte findet Mitfahrbänke "eine sehr gute Idee", wie sie schreibt. Ähnlich äußert sich das Fitnessstudio Muskelkatze in Allershausen. Victoria Hehnen, die sich im Freisinger Jugendstadtrat engagiert, gibt an, bestehende Mitfahrbänke bereits zu nutzen.

Manche finden solche Angebote zwar gut, haben dennoch Bedenken. "Zusammen mit einer digitalen Lösung, um eine Abholung sicherzustellen, ja, sonst nein", schreibt beispielsweise Instagram-Nutzer Alberto. Eine "top Sache, weil auch noch umweltfreundlicher", seien Mitfahrbänke, schreibt Nutzerin Olivia, "in Zeiten von Covid aber ungewohnt . . .". Paulina Gastl aus Eching attestiert via Instagram: "Sinnvoll, aber ein Armutszeugnis des ÖPNV auf dem Land." Nutzerin Clara sieht das Angebot positiv, betont jedoch zugleich: "Es sollte auf die Sicherheit der Mitfahrer und im Wartebereich gesorgt werden."

"Ein Beweis dafür, wie sich Kommunalpolitik versucht, der Verantwortung zu entziehen, den ÖPNV zu verbessern"

Sicherheitsbedenken spielen auch in Facebook-Kommentaren zu den neuen Kirchdorfer Mitfahrbänken eine zentrale Rolle. Lydia Bechmann etwa schreibt: "Dachte, Anhalter mitnehmen ist gefährlich? Wie wäre es mit Ruftaxi, wenn sich ein Bus nicht rentiert?" Für Nutzerin Moni Maus kommt das Angebot aus mehreren Gründen nicht infrage: "Also meiner persönlichen Meinung nach: 1) würde ich mit unbekannten Personen nicht mitfahren, 2) woher weiß ich, wie diese Person Auto fährt?, 3) Wer kommt für eventuelle Schäden auf, die zum Beispiel bei einem Unfall passieren könnten?" Foodbloggerin Barbara schreibt via Instagram: "Ist halt kein verlässliches Angebot und daher auf dem Land keine Alternative zum Auto."

Aus Moosburg, wo es seit 2018 Mitfahrbänke an mehreren Orten gibt, kommentiert Sozial- und Seniorenreferentin Karin Linz (CSU) via Facebook: "Wird in Moosburg leider nicht angenommen. Sehr schade!" Maurizio M. Martin kritisiert in einer Antwort die Politik: "Diese Mitfahrbänke sind ein Beweis dafür, wie sich Kommunalpolitik versucht, der Verantwortung zu entziehen, den ÖPNV zu verbessern. Dies ist das Problem." Alexander Strobl ergänzt: "Die Unfähigkeit, einen vernünftigen ÖPNV aufzuziehen, ist das Eine. Mitmenschen auf einer Mitfahrbank einfach mitzunehmen, sollte eine Solidargemeinschaft eigentlich nicht vor allzu große Hürden stellen. Es ist halt aber auch nicht damit getan, Bänke aufzustellen. Man sollte sie auch aktiv bewerben, unterstützen usw."

Nur wenige Leute nehmen das Angebot an, heißt es aus dem Moosburger Rathaus

Es gebe nur "wenige Personen, die das Angebot annehmen", heißt es aus dem Moosburger Rathaus auf Nachfrage. Teils würden die Bänke als Sitzgelegenheit genutzt, "um sich auszuruhen oder eine kleine Brotzeit zu machen", so Geschäftsleiter und Pressesprecher Josef Mühlberger. "Im Sinne der Ergänzung zum ÖPNV funktioniert eigentlich nur die Bank in Wang nach Moosburg rein." Auch in Eching gibt es seit 2018 zwei Mitfahrbänke, an der Dietersheimer Straße vor der Sporthalle und in Dietersheim am Ortsausgang. Die Bänke seien "eine nette inoffizielle Ergänzung", schreibt Bürgermeister Sebastian Thaler auf Anfrage. Er empfehle, "nur mit Personen mitzufahren, die einem bekannt sind". Ungeachtet dessen sei es das Ziel, "das offizielle und planbare ÖPNV-Angebot zu verbessern". Er verweist auf den Stundentakt der Buslinie 695 seit Dezember 2020, die neue Expressbuslinie von Garching über Dietersheim nach Freising und den 20-Minuten-Takt der Linie 690 ab Dezember.

In Freising wollte der Jugendkreistag 2019 zunächst auf Antrag von Malena Günther eine Mitfahrbank an der Martin-Luther-Straße aufstellen. Sie sollte Anlaufstelle sein für Fahrten nach Neufahrn und Mintraching, nach Moosburg und Langenbach. Ende 2019 beschloss man jedoch, die Pläne der Deutschen Bahn zur Neugestaltung des nahegelegenen Bahnhofs abzuwarten. Die sahen vor, das Aufstellen einer Mitfahrbank zu prüfen. Auf Nachfrage teilt eine Bahnsprecherin heute mit, es habe zu dem Thema einen Vor-Ort-Termin mit einem Vertreter des Jugendkreistags gegeben. "Dabei konnte für eine Mitfahrbank kein geeigneter Stellplatz auf DB-Fläche gefunden werden."

"Natürlich kann das nicht den Nahverkehr ersetzen, es braucht einen Mix"

Nicht nur dadurch ist das Projekt vorerst gescheitert, sagt Günther. Bürokratische Abläufe seien aufwendig und mitunter verwirrend gewesen. Letztlich sei klar geworden: Am Bahnhof geht es nicht, für eine Mitfahrbank an anderer Stelle muss ein Antrag an den Stadtrat gestellt werden. "Der kam dann nicht mehr zustande", sagt Günther, die inzwischen in Frankreich lebt. Die 20-Jährige hofft, dass andere den Faden wiederaufnehmen. Dass die Stadt womöglich selbst aktiv wird, vielleicht sogar ein Mitfahrnetz im Landkreis entsteht. "Viele Leute waren sehr begeistert von der Idee. Natürlich kann das nicht den Nahverkehr ersetzen, es braucht einen Mix."

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