Süddeutsche Zeitung

Wohnungsmarkt in Freising:"Ich kenne niemanden, der in Freising nur von Bafög leben kann."

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435 Euro kostet ein Freisinger WG-Zimmer im Durchschnitt. Insbesondere neu zugezogene und Studierende aus dem Ausland haben es auf dem angespannten Wohnungsmarkt schwer. Wie sich die steigenden Energiepreise auf sie auswirken, ist noch gar nicht abzusehen.

Von Marius Oberberger, Freising

Studierende bezahlen im gesamtdeutschen Durchschnitt 435 Euro monatlich für ein WG-Zimmer - eine Steigerung um 11 Prozent verglichen mit 391 Euro im Vorjahr. Freising liegt mit einem durchschnittlichen WG-Zimmerpreis von 450 Euro über dem bundesdeutschen Schnitt, ist aber noch weit entfernt von dem Münchner Wert von 700 Euro. Dies hat das Hochschulstädtescoring Wintersemester 2022/23, eine Untersuchung des Moses Mendelssohn Instituts (MMI), im September 2022 ergeben. Die Studie sieht Freising unter den 95 Hochschulstandorten mit über 5000 Studierenden auf Platz 11 in Bezug auf die Anspannung der Wohnmarktsituation. Damit ist die Situation in Freising ähnlich wie in anderen mittelgroßen bayerischen Unistädten wie Regensburg, Passau, Erlangen und Nürnberg.

In Freising studieren an den Standorten TUM Campus Weihenstephan und der HSWT etwa 8400 Personen, von denen fast 7800 ihre Hochschulzulassung anderorts erworben haben, sprich zum Studieren nach Freising gezogen sind. Deutschlandweit sind laut MMI zwei Drittel der Studierenden auf den freien Wohnungsmarkt angewiesen, die übrigen wohnen noch bei ihren Eltern, Verwandten oder in öffentlich geförderten Wohnheimen. Das MMI hat für die Studie die Daten von WG-gesucht ausgewertet, welche weder den informellen Wohnungsmarkt, etwa über Kontakte an günstige Wohnungen zu kommen, noch öffentlich geförderten Wohnraum berücksichtigt. Die Daten bilden also keine exakte Situation ab, zeigen aber generelle Trends und ermöglichen Vergleiche.

Zwei bis drei Semester muss man auf einen Wohnheimplatz warten

Die bedeutsamste Institution für gefördertes studentisches Wohnen ist das Studentenwerk, das in Freising drei Wohnanlagen mit einer Kapazität für insgesamt 850 Studierende unterhält. Die Miete beträgt zwischen 275 Euro und 386 Euro warm in einem Einzelapartment oder Zimmer in einer Mehrpersonen-WG, zuzüglich Rundfunkbeitrag. Diese rein kostendeckende Miete liegt deutlich unter den Angeboten am freien Wohnungsmarkt. Entsprechend groß ist die Nachfrage: Interessierte müssen zwei bis drei Wartesemester einkalkulieren, bis sie einziehen dürfen.

Laut Auskunft des zuständigen Studentenwerks München stehen Mitte September 2022 973 Studierende auf der Wohnheim-Warteliste für Freising. Länger als zwei oder drei Jahre dürfen Studierende nicht in den Wohnheimen bleiben, da sonst die Wartezeiten entsprechend ansteigen würden. 2021 wurden in der Wohnanlage an der Freisinger Giggenhauserstraße 109 neue Einzelapartments fertiggestellt. Weitere Neubauten und Nachverdichtungen plant das Studentenwerk in Freising nicht, die Bautätigkeit konzentriert sich auf München. Um möglichst viel bezahlbaren Wohnraum für Studierende zu schaffen, hofft das Studentenwerk auf weitere Bundesfördermittel zur Förderung von studentischem Wohnen.

Zum Wintersemester 2022/23 wurde der Bafög-Höchstsatz angehoben, auf einen Grundbedarf von 452 Euro und zusätzlich 360 Euro Wohnpauschale für Studierende, die nicht bei ihren Eltern leben. 2021 erhielten allerdings nur etwa 430.000 von drei Millionen Studierenden in Deutschland Bafög, noch weniger von ihnen den Höchstsatz. Doch selbst der Bafög-Höchstsatz ermöglicht in Freising kein Studium frei von finanziellen Sorgen, wie Laura Thalmeier (26) erzählt, die im Master Nutrition and Biomedicine am TUM Campus Weihenstephan studiert: "Ich kenne niemanden, der in Freising nur von Bafög leben kann."

Sie empfindet den Freisinger Wohnmarkt als sehr angespannt, da das Angebot begrenzt sei, Vermieterinnen und Vermieter oft nicht mehr Aufwand als unbedingt nötig in die Instandhaltung stecken würden und teils wenig Skrupel gegenüber Studierenden empfänden. Ihre Kommilitonin Miriam Neuhäuser (25) hatte beispielsweise die Zusage zum Studienplatz erst zwei Wochen vor Semesterbeginn erhalten. Studienanfängerinnen und -anfänger machen in Freising 18,8 Prozent der Studierenden aus. Sie stehen unter großem Zeitdruck und haben keine Kontakte vor Ort, was die Wohnungssuche noch herausfordernder mache, wie Neuhäuser berichtet.

Das MMI sah 2020 und 2021 wegen Corona eine Stagnation der Mietpreise und erwartet nun einen weiteren Anstieg

Das MMI hebt die Auswirkungen der veränderten pandemischen Lage hervor: Viele Studierende hätten wegen der Pandemie länger studiert oder würden verspätet an den Studienort umziehen. Außerdem würden viele internationale Studierende ihren Aufenthalt in Deutschland nun nachholen. Den 15,2 Prozent der Freisinger Studierenden, die aus dem Ausland kommen, fehlen zu Beginn die hilfreichen Netzwerke vor Ort, dazu kommt oft eine Sprachbarriere. An Erasmus- und andere Austauschstudierende vergibt das Studentenwerk auch keine Wohnheimplätze.

In Freising ging der WG-Zimmer-Preis von 490 Euro 2021 auf nun 450 Euro zurück, was laut MMI an dem vergleichsweise kleinen Markt liegt: Einzelne Neuobjekte haben großen Einfluss und verzerren kurzfristig die Entwicklung. Auf dem gesamten Freisinger Wohnungsmarkt ist jedenfalls auch ein Trend nach oben zu beobachten: Der Mietspiegel von wohnungsbörse.net sieht zum Beispiel zwischen 2019 und 2021 einen Anstieg der Quadratmeterpreise für 30-Quadratmeter-Wohnungen von 14,45 Euro auf 16,75 Euro. Das MMI geht davon aus, dass deutschlandweit die Mietpreise für Studierende noch weiter ansteigen werden. Die aktuellen Daten bilden auch die Auswirkungen von den massiv steigenden Energiepreisen nicht ab - die Folgen für die Freisinger Studierenden werden sich noch zeigen.

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