Süddeutsche Zeitung

Ausgezeichnete Landwirtschaft:"Tiere sind Lebewesen, wir versuchen, ihnen ein Leben in Würde zu geben"

Auslauf, Weidegang, Liegekomfort im Stall und viel Licht. Den Kühen und Kälbern bei Stefan und Michaela Grandl aus Marzling geht es richtig gut. Der Milchviehbetrieb ist darum in diesem Jahr mit dem bayerischen Tierwohlpreis ausgezeichnet worden.

Von Gudrun Regelein, Freising

Mark ist das jüngste Kalb. Gerade einmal zwei Tage ist das braungefleckte Kälbchen alt, das auf dem Stroh in einer der Ammenboxen liegt. Es ist eines von derzeit etwa 30 Kälbern auf dem Hof der Grandls in der Riegeraubei Marzling. Das Besondere des Milchviehbetriebs ist die Ammenkuhhaltung. Diese war auch einer der Gründe, weshalb die Grandls vor Kurzem als einer von insgesamt drei Betrieben den bayerischen Tierwohlpreis 2022 erhalten haben.

Die Kälber können trinken, wann sie wollen

Ammenkuhhaltung: das bedeute, dass ein Kalb die ersten drei Monate von einer Amme getränkt werde, erklärt Michaela Grandl. Das muss nicht unbedingt die Mutterkuh sei. Die Kälber der Grandls beispielsweise können bei sieben Ammenkühen trinken - immer dann, wann sie wollen und soviel sie wollen. Und sie haben die Nähe zur Mutterkuh, eine Beziehung wird aufgebaut - sie werden geschleckt, die Kuh kümmert sich um die Erziehung, in der Gruppe werden sie sozialisiert. Mark wird dann passenderweise gerade in diesem Moment von einem älteren Kalb geboxt, "das gehört dazu", sagt Michaela Grandl und lacht.

Alleine wegen der Ammenkuhhaltung aber gewannen die Grandls nicht den Preis. Es sei das Gesamtkonzept gewesen, sagt Stefan Grandl. Ein großzügiges Flächenangebot, der Auslauf oder Weidegang, ein großer Liegekomfort und viel Licht gehörten auch dazu. Vor etwa eineinhalb Jahren hat das Ehepaar dafür einen großen Stall gebaut, in dem auch die Ammenboxen einen Platz finden. Sie wollte keine Kälber mehr hergeben, das sei der ausschlaggebende Grund für die Ammenkuhhaltung gewesen, sagt Michaela Grandl. "Ich wollte das einfach nicht mehr, sie sollen hier bei uns leben." Sie wolle nachvollziehen können, was mit den Tieren passiere, erklärt sie.

Früher seien die Kälber zumeist in den Export gegangen, was oft tagelange Transporte bedeutete - das wollte sie nicht mehr. Für die Ammenkuhhaltung brauchen die Grandls zwar mehr Platz und es koste Zeit, da man mehr auf die Tiere blicken müsse - man brauche Gespür für sie. Aber das sei es ihnen wert, betonen beide. "Wir mästen sie zwar für den Zweck, dass sie letztendlich gegessen werden - aber der Weg dahin ist mir wichtig. Unsere Tiere sind meine Passion", betont Michaela Grandl.

2013 hat Stefan Grandl nach dem Tod seines Vater den Betrieb übernommen, damals war er noch ein konventioneller Biogasbetrieb, Kühe aber gab es auch schon damals. Momentan befindet er sich in der Umstellung zu einem Biobetrieb. Insgesamt 260 Tiere leben hier auf insgesamt etwa 140 Hektar - neben den Milchkühen die Nachzucht und Ochsen. "Tiere sind Lebewesen, wir versuchen, ihnen ein Leben in Würde zu geben", sagt Stefan Grandl. Allerdings müsste auch die Familie davon leben können, man habe viel investiert. "Dass wir nun ausgezeichnet wurden, hat uns sehr gefreut. Das hat uns gezeigt, dass das, was wir hier machen, eine Zukunft hat - das hat uns bestätigt", sagt er.

"Die Tierwohlpreisträger zeigen mit ihren Ideen und Lösungen, dass unsere Bauern mit Know-How, Engagement und Herzblut viel für das Tierwohl bewirken können", hatte Agrarministerin Michaela Kaniber in ihrer Laudatio die Preisträger gewürdigt. Auch die Verbraucher wünschten sich mehr Tierwohl, mehr Regionalität, mehr Qualität. "Wenn das von der Politik tatsächlich so gewollt ist, dann müsste es aber auch entsprechend gefördert werden", sagt Michaela Grandl. Und der Verbraucher müsse bereit sein, dafür einen höheren Preis zu bezahlen.

Auf dem Hof der Familie Grandl (Riedhof 1, 85417 Marzling) kann bei der Milchtankstelle rund um die Uhr frische Vollmilch gezapft werden.

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