Kritik der Marzlinger Grünen:"Beton wird mehr geschützt als Natur"

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In den Parkbuchten an der Hofmarkstraße in Marzling ist das Grün radikal entfernt worden. Zu sehen sind jetzt nackte Betonwände. (Foto: Marco Einfeldt)

Trotz aller Bemühungen der Grünen im Marzlinger Gemeinderat ist an einer Lärmschutzwand die Begrünung radikal entfernt worden. Ein Bausachverständiger hatte festgestellt, dass der dort gepflanzte Wein, der sich die Wände hochgerankt hatte, Schäden verursachen könnte.

Von Gudrun Regelein, Marzling

Es war in der letzten Aprilwoche, als in der Hofmarkstraße ein Trupp des Bauhofs anrückte, um in den dortigen Parkbuchten entlang einer Lärmschutzwand alles Grün radikal zu entfernen. Nur die nackten Wände sieht man dort nun noch. Der Klima- und Naturschutz habe in der Gemeinde wohl nicht den Stellenwert, den es bräuchte, kommentierte Marc Decker, Vorsitzender der Grünen in Marzling, kürzlich bei einer Parteiversammlung diese Aktion. "Beton wird mehr geschützt als Natur." Noch immer, so sagt er auf Nachfrage der SZ , habe er absolut kein Verständnis für diese Maßnahme, bei der der gesamte Bewuchs entfernt wurde.

Es sei bereits bei einer Kontrolle der Lärmschutzwand Ende 2020 durch ein beauftragtes Ingenieurbüro darauf hingewiesen worden, dass der Bewuchs entfernt werden müsse, berichtet Marzlings Bürgermeister Martin Ernst. Auch eine weitere Stellungnahme eines Bausachverständigen habe ergeben, dass der dort gepflanzte Wein, der sich in den vergangenen Jahren die Wände hochgerankt hatte, "ungünstig" sei. Jedes Bauwerk gehe, also verändere sich im Laufe der Zeit etwas, erklärt Ernst. Durch feine Risse könne Feuchtigkeit durch die Pflanzen in den Beton hereingezogen werden. Dadurch könnten größere Schäden entstehen. In der Haftung sei dann die Gemeinde. Abgesehen davon sei eine Begrünung der Lärmschutzwand im Bebauungsplan auch gar nicht vorgesehen.

Beim Bund Naturschutz schüttelt man nur noch den Kopf

Wolfgang Willner, Vorsitzender der Kreisgruppe Freising des Bunds Naturschutz, kann nur den Kopf schütteln, als er davon hört. Dass Wein den Beton angreife, habe er noch nie gehört. "Was sollen die Haftwurzeln denn anrichten? Das ist mir ein Rätsel." Falls der Beton schadhaft sei, könne es zwar sein, dass ein Ästchen dort reinwachse, aber das sprenge den Beton nicht. Oder dass bei Regen durch die Wurzeln etwas Feuchtigkeit hineinkomme. Das aber sei dann eher eine Frage der Betonqualität. Willner kann diese Aktion, bei der ein Lebensraum für Vögel und Insekten zerstört wurde, nicht nachvollziehen. Vor allem nicht in dieser Jahreszeit, während der Brutzeit. Laut Bundesnaturschutzgesetz nämlich seien dann größere Eingriffe in den Grünbestand nur in Ausnahmefällen erlaubt. Ein Verstoß wäre anzeigefähig. "So etwas muss die Gemeinde - wenn überhaupt - im Herbst oder Winter und am besten mit Experten, beispielsweise von der Unteren Naturschutzbehörde, machen."

Die Grünen im Gemeinderat haben zwar versucht, zu verhindern, dass die Begrünung entfernt wird. Sie haben sich in Gemeinderatsitzungen immer wieder dagegen ausgesprochen und Anfragen gestellt - scheiterten aber damit. Auch ihr Vorschlag, Stahlseile als Rankhilfen an der Betonwand anzubringen, wurde nicht angenommen. Mit der Begründung, es dürften keine Löcher in die Wand gebohrt werden. "Wir hätten uns eigentlich eine andere Lösung gewünscht - und diese auch für möglich gehalten", sagt Grünen-Gemeinderätin Johanna Sticksel. Nun sollen vor der etwa fünf Meter hohen Lärmschutzwand etwa zwei Meter hohe Rankgitter errichtet werden, die dann bepflanzt werden. "Es schaut dann wieder schön aus", sagt der Bürgermeister.

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