Süddeutsche Zeitung

Marzling:Gefühlte Vorfahrt

Lesezeit: 2 min

Die Bürger wünschen sich eine konsequente Rechts-vor-links-Regelung, das Landratsamt hat die Initiative der Gemeinde jedoch gestoppt

Gudrun Regelein

Wenn es nach dem Willen der Marzlinger Gemeinderäte gegangen wäre, dann wäre schon im vergangenen Frühjahr die Rechts-vor-links-Regelung und Tempo 30 im gesamten Gemeindegebiet eingeführt worden. "Das war nicht nur unsere Idee, sondern immer wieder wurde dieser Wunsch auch von Bürgern geäußert", sagt Marzlings Bürgermeister Dieter Werner. Denn immer wieder werde auf den Durchgangsstraßen zu schnell gefahren, so dass es fast zu Unfällen komme. "Die Regelung hätte nicht nur diesen Druck genommen, sondern wäre verkehrspolitisch sicherlich am einfachsten zu verstehen gewesen", erklärt Werner.

Dann aber wurde den Marzlingern doch noch ein Strich durch die Rechnung gemacht, denn die zuständige Straßenverkehrsbehörde im Freisinger Landratsamt gab kein grünes Licht. Laut Straßenverkehrsordnung darf in Deutschland diese Regelung nur an Stellen eingeführt werden, die zu den sogenannten Unfall-Schwerpunkten zählen, was auch durch Verkehrszahlen und Unfallhäufigkeiten nachgewiesen werden müsse, so hieß es in der Begründung, die Bürgermeister Werner bekam.

Für ihn ist das nicht wirklich nachvollziehbar - denn eigentlich wollte man Rechts-vor-links doch "vorsorglich" einführen, um Unfälle zu vermeiden. Für Werner "beißt sich hier die Katze in den Schwanz": "Muss denn tatsächlich erst etwas passieren, bevor man dann handelt?", fragt er. Obwohl er die Entscheidung des Landratsamtes akzeptiere, das sogar mit Klage gedroht habe, falls im Gemeindegebiet doch Rechts-vor-links eingeführt werden sollte, bedauere er sie doch sehr.

Christian Wegscheider, der Leiter der Straßenverkehrsbehörde im Landratsamt, relativiert das etwas: Es sei seitens des Landratamtes keine Drohung, sondern ein rechtlicher Hinweis gewesen, sagt er. Die Verkehrssituation in Marzling habe man sich gemeinsam mit der Polizei vor Ort genau angeschaut. Dort gebe es zwei große Straßen, die man sich als Umgehung- oder Ringstraßen vorstellen könne und die - gerade auch bei Ortsunkundigen - als "optische Vorfahrtstraßen" wahrgenommen würden. "Diese Straßen haben empfindungsmäßig Vorfahrtscharakter", erklärt Wegscheider. Selbst wenn Schilder an den Ortseingängen auf die Regelung aufmerksam machten, so habe man beim Durchfahren doch das Gefühl, Vorfahrt zu haben. Nicht überall sei die Rechts-vor-links-Regelung, die zumeist mit Tempo 30 kombiniert werde, geeignet, so der Leiter der Straßenverkehrsbehörde. Auch die Polizei befürchtete in Marzling schwerwiegende Unfälle - das Risiko bei Rechts-vor-links sei zu groß. Zudem seien die rechtlichen Hürden hoch: Der Paragraf 45 der Straßenverkehrsordnung fordere eine entsprechende Begründung, wenn der normale Verkehrsfluss behindert werde. Da das Landratsamt als Aufsichtsbehörde mit in die Beratung eingebunden war, habe es daher in seiner Stellungnahme Rechts-vor-links im gesamten Ort als "äußerst problematisch" eingestuft. Andere Gemeinden dagegen eigneten sich für die Verkehrsregelung schon eher - Zolling beispielsweise, wo die etwa gleich großen Straßen relativ gleichmäßig, fast schachbrettartig angeordnet seien.

Schon seit September 2001 gilt dort mittlerweile Rechts-vor-links nahezu im gesamten Ortsgebiet. Zum einen sollte das als verkehrsberuhigende Maßnahme wirken, zum anderen wollte man damit den Schilderwald lichten, sagt Bürgermeister Max Riegler. Mittlerweile weisen nur noch Schilder an den Ortseinfahrten auf die Regelung Rechts-vor-links im gesamten Ortsbereich hin. Zudem habe man sich an einigen anderen "kritischen" Kreuzungen zu einer Beschilderung, die auf die geänderte Vorfahrt hinweisen, entschieden, so Riegler. Zu Beginn habe es einige kleinere Bagatellunfälle gegeben, das sei auch heute noch so: "Wenn man in den Kreuzungsbereich einfährt, ist man schon vorsichtig", meint Riegler. Aber das sei schließlich "Sinn und Zweck" der Regelung. Rechts-vor-links habe verkehrsberuhigend gewirkt, es werde langsamer durch den Ort gefahren. "Wir zumindest haben gute Erfahrungen damit gemacht, es hat sich bewährt", sagt Riegler

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1574050
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 16.01.2013
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.