Hilfe vom Staat gibt es bisher nicht:Auftrittsverbot macht Zirkusleuten in Marzling zu schaffen

Hilfe vom Staat gibt es bisher nicht: Roberto und Carlos (rechts) Feraro, hier mit Pferd John, kämpfen um das Überleben des Zirkusbetriebs, den die Familie seit sechs Generationen hat.

Roberto und Carlos (rechts) Feraro, hier mit Pferd John, kämpfen um das Überleben des Zirkusbetriebs, den die Familie seit sechs Generationen hat.

(Foto: Marco Einfeldt)

Der Circus Feraro hängt in seinem Winterquartier in Marzling fest und überlebt derzeit mit Spenden und geliehenem Geld.

Von Petra Schnirch, Marzling

Für den Circus Feraro war das ganze Jahr eine Hängepartie. Im März, als die Familie ihr Winterquartier im ehemaligen Staatsgut Hirschau in Marzling gerade verlassen wollte, um auf Tour zu gehen, begann die Corona-Krise - und ein Ende ist bisher nicht abzusehen. "Wir haben gewartet, gewartet, gewartet", sagt Hermann Schmidt-Feraro. Im September waren einige wenige Auftritte in Langenbach, Hallbergmoos und Neufahrn möglich, mit deutlich weniger Zuschauern und Hygienekonzept. Anfang Oktober war schon wieder alles vorbei und das Zirkus-Team sammelte seine Plakate ein.

Die 21 Zirkusmitglieder leben laut Schmidt-Feraro derzeit von Lebensmittel- und Futterspenden für die Tiere. "Die Leute helfen, aber sie müssen ja auch sparen." Außerdem habe er sich Geld geliehen, um die Heizkosten bezahlen zu können. Am Freitag war der 64-Jährige den halben Tag unterwegs, um Heu abzuholen. Unterstützung vom Staat habe der Zirkus bisher keine erhalten. "Wir fallen durch alle Raster", sagt der Zirkus-Chef. Derzeit greift ein Bekannter dem Familienbetrieb beim Bearbeiten der Anträge unter die Arme, um zumindest die November- und Dezember-Hilfen in Anspruch nehmen zu können.

Eigentlich hätte 2020 bis in den Winter hinein ein gutes Jahr für den Circus Feraro werden sollen. Jetzt, im Dezember, war in Erding ein "Weihnachtszirkus" geplant. Auch daraus ist wegen des Lockdowns nichts geworden. Dankbar ist Hermann Schmidt-Feraro dem Erdinger Landrat dafür, dass er ihnen das frühere Staatsgut wieder unbürokratisch zur Verfügung stellte. Seit sechs Jahren verbringt der Zirkus dort die Wintermonate. In einer Manege in eine Halle trainieren die Artisten für das neue Programm, alle zehn Kinder von Hermann Schmidt-Feraro sind dem Zirkus treu geblieben. Sein größter Wunsch: dass es bald wieder heißt, Manege frei.

Aufgeben ist keine Option

Aufgeben oder sich einen anderen Job suchen, ist für ihn keine Option. "Das ist unsere kleine Welt." Seine Familie führt den Circus Feraro in sechster Generation. "Zirkus darf nicht aussterben", sagt er fast beschwörend. "Wir leben für unsere Tiere" - insgesamt 40 Ponys, Ziegen, Lamas, Tauben, Enten und Schlangen. Er hoffe, dass das Engagement anerkannt werde. Er habe schon an Angela Merkel und Markus Söder geschrieben, Antwort habe er bisher keine bekommen.

Am Telefon klingt Schmidt-Feraro gefasst, zwischendurch kann er sogar lachen. "Ich bin ein Gemütsmenschen", sagt er. Wenn man länger mit ihm spricht, gesteht er aber, dass er Angst habe. Betteln und hausieren gehen wolle die Familie dennoch nicht.

Schwierig war das Jahr gleich in mehrerer Hinsicht. Im Sommer stand nach starken Regenfällen Wasser in den Ställen, auch das Futter wurde nass. Einen alten Hengst habe er in die Tierklinik bringen müssen, schildert Schmidt-Feraro, ein zweiter Besuch stehe noch aus. Auch diese Rechnung müsse bezahlt werden. "Aber bisher haben wir es immer geschafft", sagt er und hört sich dabei an, als wollte er sich selbst Mut zusprechen.

Vor allem für die kleinen Familienunternehmen sei die Situation sehr schwer, bestätigt Ralf Huppertz, Vorsitzender des Verbands deutscher Circusunternehmen. Bei der Vergabe der ersten Überbrückungshilfen im Sommer seien die meisten leer ausgegangen, weil ein Steuerberater einschaltet werden musste. Viele kleine Betriebe aber hätten gar keinen. Bei der nächsten Runde, die für das Frühjahr in Aussicht gestellt worden sei, soll das anders werden. Ohne Unterstützung würde wohl kein Zirkus die Krise überstehen, glaubt Ralf Huppertz. "Wir haben den Lebensfaden verloren".

Wer den Circus Feraro unterstützen will: Das Winterquartier befindet sich in der Gemeinde Marzling, Hirschau 1. Hermann Schmidt-Feraro ist unter der Nummer 01 60/65 00 175 zu erreichen.

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