Das Gespräch findet in Zeiten von Corona nicht persönlich statt. Die Bilanz mit dem noch amtierenden Bürgermeister Marzlings, Dieter Werner, muss am Telefon gezogen werden. "Ich gehe mit einem lachenden und mit einem weinenden Auge", sagt Werner. "Mit einem lachenden, da ich weiß, dass ich aus gesundheitlichen Gründen so nicht hätte weitermachen können und langsamer machen muss." Und mit einem weinenden, da die zwölf Jahre zwar sehr anstrengend, aber auch erfüllend gewesen seien. Er werde nach dem 1. Mai - dem Tag der offiziellen Amtsübergabe - einen endgültigen Schlussstrich ziehen und sich neu orientieren: "Ich mache einen Break und nehme mir eine Auszeit."
SZ: Martin Ernst wird der neue Bürgermeister Marzlings sein. Er wurde in der Stichwahl zu Ihrem Nachfolger gewählt. Haben Sie damit gerechnet?
Dieter Werner: Eine Überraschung war es nicht, das war erwartbar. Er war mein langjähriger Vertreter, er hat Erfahrung und gute Arbeit geleistet. Insofern war ich mir relativ sicher, dass er die Stichwahl gewinnt.
Er wird die Geschäfte nun in einer Krisensituation übernehmen - das ist sicher nicht einfach?
Es ist momentan eine sehr schwierige Zeit, die ich mir und auch keinem Nachfolger gewünscht hätte. Die Corona-Krise hat sich in der Wahlzeit zugespitzt, als ich krankheitsbedingt die Geschäfte schon an Martin Ernst übergeben musste. Er musste sich bereits mit den infrastrukturellen Folgen, wie der Schließung der Kitas und der Grundschule, beschäftigen. Das sind Aufgaben, auf die wir alle zusammen gerne verzichtet hätten. Ich hoffe nur, dass wir aus dieser Krise auch etwas lernen werden.
Freisinger Köpfe:Eine schöne, aber anstrengende Zeit
Dieter Werner war zwölf Jahre lang Marzlinger Bürgermeister
Sie waren zwölf Jahre lang Bürgermeister: Wie schaut Ihre Bilanz aus?
Sehr positiv. Es ist mir gelungen, gemeinsam mit dem Gemeinderat unsere großen Vorhaben umzusetzen. Wir haben alle an einem Strang gezogen und konnten die Wünsche der Marzlinger in großen Teilen erfüllen. Und das bei einer finanziellen Belastung, die nicht wehgetan hat. Wir konnten über viele Jahr hinweg eine Neuverschuldung vermeiden und sogar den Schuldenberg abbauen.
Was waren die größten Projekte?
Von der Fläche her gesehen war das die Erweiterung des Sportareals, von der Summe her gesehen der Straßenausbau. Ganz markant war auch die Erweiterung des Kindergartens und der Krippenbau. Marzling ist eine junge Gemeinde mit vielen Familien, sie wächst - wenn auch moderat. Die Kinderbetreuung wird auch zukünftig ein großes Thema bleiben.
Wird eine Folge der Corona-Krise sein, dass geplante Projekte nicht umgesetzt werden können?
Das neue Feuerwehrhaus sehe ich als gesetzt. Da ist die Planung fertig, die Ausschreibungen laufen. Aber mit Blick auf das Thema Finanzen wird es zukünftig sicher kein Zuckerschlecken werden. Eventuell kann es schon sein, dass Pro- jekte nun geschoben werden müssen. Jedes muss auf die Waagschale gelegt werden.
Vermutlich werden auch die Einnahmen der Gemeinde weniger werden?
Ja, das wird so sein. Die Gewerbesteuer hat sich in den vergangenen Jahren für uns gut entwickelt. Da wird es nun wegen der zu erwartenden Insolvenzen ganz sicher zu einem Einbruch kommen - ich rechne mit einem Minus von bis zu 50 Prozent. Für die Haushalte der Kommunen wird die Corona-Krise spürbare Folgen haben. Aber sie wird auch das gesamte Dorfleben verändern, einige - aber hoffentlich nicht viele - Marzlinger werden ihren Arbeitsplatz verlieren.
Werfen wir einen Blick auf den neuen Gemeinderat. Der wird sich zwar nicht vergrößern, aber bunter werden. Erwarten Sie sich zukünftig mehr Diskussionen?
Wir haben zum ersten Mal nun auch die Grünen im Rat, das ist ein Novum. Die SPD hat zukünftig zwei Sitze, bislang hatte sie einen. Und auch bei den anderen drei Gruppierungen wird es einige neue Gesichter geben. Im Wahlprogramm gab es keine großen Unterschiede, deshalb denke ich, dass es bei großen Themen weiterhin Einigkeit geben wird. Grundsätzlich aber wird sicher mehr diskutiert werden, da es mehr verschiedene Anschauungen gibt. Das kann ja aber auch sehr fruchtbar sein und durch die vielen Meinungen produktiv werden. Auch ich hätte mir manchmal regere Diskussionen gewünscht. Der Gemeinderat wird sicher bunter - aber das tut gut.
Sie sprachen von einem Break. Werden Sie zukünftig zumindest als Zuhörer bei den Gemeinderatssitzungen dabei sein?
Ich werde mich sehr zurücknehmen und zumindest zu Beginn nicht mehr präsent sein. Ich habe bereits mit Martin Ernst gesprochen und er weiß, dass ich ihm mit Rat oder meiner Meinung immer zur Seite stehe. Aber nur, wenn das wirklich gewünscht ist - und nicht ungefragt.