Lehrerprotest:Steinzeit in den Steinschulen

In dem fast 70 Millionen Euro teuren Neubau soll es in den Klassenzimmern keine Waschbecken geben, der Wasseranschluss findet sich in einige Meter entfernten Clustern. Lehrer haben bereits erhebliche Bedenken angemeldet, bis jetzt allerdings vergeblich

Von Birgit Goormann-Prugger, Freising

Bei 69,9 Millionen Euro liegen derzeit die Baukosten für die neuen Schulen im Steinpark. 1100 Schüler können die neue Grund- und Mittelschule im Norden der Stadt einmal besuchen. Unterrichtet werden sie unter modernsten Bedingungen - doch ohne Waschbecken in den Klassenzimmern. Dieser Punkt sorgt seit einiger Zeit für Aufregung im Lehrerkollegium der Neustifter Grund- und Mittelschule, die in der neuen Steinparkschule aufgehen wird. Die Freien Wähler bereiten zudem laut Ernst Berg derzeit eine Anfrage zu diesem Thema vor, die demnächst dem Kulturausschuss vorgelegt werden soll.

Die Argumentation der Planer in dieser Sache sieht wie folgt aus: Die modernen Klassenzimmer sind mit Whiteboards ausgestattet, Tafel und Kreide, das war gestern. Also braucht man auch keinen Wasseranschluss. Aus pädagogischer Sicht sei das jedoch mehr als ungünstig, so Berg, der früher stellvertretender Rektor in der Zollinger Schule war. Wasser brauche man im Klassenzimmer nicht nur, um was von der Tafel zu wischen. "Wir reden hier von Grundschulkindern, da muss man auch mal schnell was sauber machen, wenn sich ein Kind etwa übergibt."

Außerdem gebe es für die Schulen das Projekt "Voll in Form", um den Kindern die Zubereitung eines gesunden Frühstücks zu vermitteln. Im Klassenzimmer werde gegessen, auch darum müsse man mal den Tisch abwischen können . Für die ganze Schule sei überdies nur ein Zeichensaal vorgesehen. "Das reicht nicht aus, also muss auch in den Klassenzimmern Zeichenunterricht gegeben werden, dafür braucht man Wasser. Sollen sich die Lehrer dann einen Kübel ins Zimmer stellen?", fragt Berg. Steinzeitmethoden im Steinpark seien das ja beinahe.

Auch sei es für die Lehrer schwierig, ihrer Aufsichtspflicht nachzukommen, wenn ein Kind im Unterricht zum Waschbecken vor die Tür begleitet werden müsse. "Und es sorgt für Unruhe", so Berg weiter. Berg hatte das Thema Waschbecken in den Klassenzimmern nach dem jüngsten Bericht der Freisinger SZ zu den Steinparkschulen schon via Facebook zur Sprache gebracht und Kritik geäußert: "Die ach so tolle Schule wird zwar rund 70 Millionen kosten, aber es soll in den Klassenzimmern keine Waschbecken geben! ... Sind hier nur Planer am Werk, die nie in der Praxis standen?"

Ihre Hände waschen könnten sich die Schüler natürlich trotzdem, versichert Christl Steinhart, Sprecherin der Stadt. Der Wasseranschluss dafür sei in den von den Klassenzimmern sechs bis zwölf Metern entfernten "Clustern" vorgesehen. Die Einrichtung von Waschbecken in Clustern gehe zurück auf Empfehlungen, die in einem Gremium aus Planern, Fachvertretern der Stadtverwaltung und Nutzern, also Schulvertretern, kontrovers diskutiert worden seien. Nach sorgfältiger Abwägung sei es zur aktuell gültigen Vorentwurfsplanung gekommen, Waschbecken eben in den Clustern anzubieten, so Steinhart. Deshalb würden neben den Türen der Klassenräume auch raumhohe Glaselemente eingefügt, um jederzeit eine Blickbeziehung der Lehrer zum Waschbecken zu ermöglichen. Eine nachträgliche Entscheidung, doch noch Waschbecken in die Klassenzimmer einzubauen, sei aber denkbar, möglich und machbar, sollte der politische Wille dafür bestehen. Freuen würden sich darüber sicher Renate Bruckmeier, Rektorin der Neustifter Sternschule, die bereits am 17. August 2017 in einem mehrseitigen Schreiben an die Stadt die unbedingte Notwendigkeit von Waschbecken im Klassenzimmer aus pädagogischer Sicht dargelegt hatte. Das habe jedoch kein Gehör gefunden. Der SZ sagte sie, es sei für das Kollegium nicht vorstellbar, wie man der Aufsichtspflicht in der Klasse nachkommen und gleichzeitig ein Kind mit Verletzungen an einem Clusterwaschbecken versorgen oder sich selbst die Hände waschen soll. Umgekehrt könnten die Lehrer nicht gleichzeitig Erstklässler am Waschbecken im Cluster und den Unterricht im Blick haben - nur ein kleines Beispiel für eine Vielzahl pädagogischer Probleme, die diese Entscheidung verursache.

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