Schulen in Freising:"Weit von der Realität entfernt"

Schulen in Freising: Wie soll man dem Lehrermangel begegnen? Von den Vorschlägen der Kommission der Kultusministerkonferenz ist man wenig begeistert.

Wie soll man dem Lehrermangel begegnen? Von den Vorschlägen der Kommission der Kultusministerkonferenz ist man wenig begeistert.

(Foto: Marco Einfeldt)

Ein höheres Unterrichtspensum für Lehrkräfte und weniger Teilzeitmöglichkeiten. Die Vorschläge einer Expertengruppe zur Behebung des Lehrermangels kommen auch im Landkreis Freising nicht besonders gut an.

Von Gudrun Regelein, Freising

Sie sei fassungslos gewesen, als sie von den Vorschlägen der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK) gehört habe, sagt Kerstin Rehm, Kreisvorsitzende des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV). "Wie man so weit von der Realität entfernt solche Ideen haben kann, ist mir rätselhaft." Um den eklatanten Lehrermangel zu lindern, hatte die SWK in der vergangenen Woche unter anderem vorgeschlagen, die Teilzeitregeln für Lehrkräfte zu verschärfen und die Unterrichtsverpflichtung weiter zu erhöhen.

Das Stundenkontingent sei schon jetzt deutlich zu hoch - und nicht zu bewältigen, hält Rehm dagegen. In ihrer Funktion als Personalratsvorsitzende des Freisinger Schulamtes bekomme sie täglich Anrufe von Lehrerinnen und Lehrern, die am Ende ihrer Kraft seien und wissen wollten, wie sie ihre Stundenzahl reduzieren könnten, berichtet Rehm. Immer mehr Lehrkräfte seien Langzeit-erkrankt, würden unter depressiven Verstimmungen oder Burn-out leiden. "Mit diesem Beruf gerät man an die eigenen Grenzen. Viele wünschen sich einen früheren Ausstieg."

Dass viele in Teilzeit arbeiten wollen, habe aber noch einen anderen Grund, sagt Kerstin Rehm. Denn viele Lehrkräfte seien weiblich, gerade auch im Grund- und Mittelschulbereich, der am stärksten von dem eklatanten Lehrermangel betroffen sei. Es seien Frauen, die Beruf und Familie vereinbaren wollten. Von diesen nun mehr Stunden zu verlangen, ist für Kerstin Rehm schlicht frauenfeindlich. "Das ist absolut kontraproduktiv."

Aber auch der weitere Vorschlag der Kommission, Lehrkräfte im Ruhestand zu reaktivieren und Lehrern aus dem Ausland den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu erleichtern, biete keine Lösung. "Das behebt die Misere, auf die wir nunmehr seit 20 Jahren aufmerksam gemacht haben, definitiv nicht. Das ist weniger als der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein", kritisiert Kerstin Rehm. Pensionäre könnten vielleicht noch einige Stunden abdecken, aber nicht mehr in Vollzeit arbeiten - und Lehrkräfte aus dem Ausland könnten bestenfalls Sprachen abdecken.

"Jahrzehntelang hat man das schleifen lassen."

"Jahrzehntelang hat man das schleifen lassen, jetzt droht der Kollaps. Es fehlen Lehrkräfte - und der Nachwuchs", sagt Rehm. Für sie sei die Lösung, den Beruf mittelfristig wieder so attraktiv zu machen, dass junge Menschen Lehramt studieren wollen. Dazu müssten allerdings Arbeitszeiten flexibel, Anforderungen heruntergefahren, die Bezahlung deutlich verbessert werden und der Beruf mehr Wertschätzung erfahren.

Noch gibt es am Dom-Gymnasium in Freising genügend Lehrkräfte, Stunden müssen nicht ausfallen, sagt Leiter Manfred Röder. "Aber es wird zunehmend schwieriger, jemanden zu finden." Zuletzt sei das im Fach Kunst so gewesen: "Wir mussten sehr lange suchen, um das abdecken zu können." Auch Röder sieht die Vorschläge der Kommission eher kritisch. Teilzeit habe immer einen Hintergrund, sagt er, wie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Der öffentliche Arbeitergeber sollte da eine Vorreiterrolle spielen - und das nicht konterkarieren.

Schulen in Freising: Noch findet am Freisinger Domgymnasium der Unterricht nach Plan statt. Aber auch hier wird es immer schwieriger, die dafür notwendigen Lehrkräfte zu finden.

Noch findet am Freisinger Domgymnasium der Unterricht nach Plan statt. Aber auch hier wird es immer schwieriger, die dafür notwendigen Lehrkräfte zu finden.

(Foto: Marco Einfeldt)

Viele Lehrkräfte wollten aber auch freiwillig ihre Arbeitszeit reduzieren. Denn ansonsten sei bei den vielen Zusatzaufgaben eine qualitätsvolle Arbeit - ein guter Unterricht - nicht mehr zu leisten. Auch eine Arbeitszeiterhöhung sei nicht mehr möglich. "Die Schule sollte sich wieder auf ihr Kerngeschäft fokussieren, den Unterricht und die Erziehung." Lehrkräfte müssten dringend von den vielen Zusatzaufgaben entlastet werden, fordert Röder. Für die EDV-Betreuung an Schulen beispielsweise wären externe Kräfte notwendig.

Die von der Kommission ebenfalls vorgeschlagene Flexibilisierung des Unterrichts, um damit den Personalbedarf zu reduzieren - in der gymnasialen Oberstufe beispielsweise mit einem Hybridunterricht - hält für Röder im "Worst Case" zwar für eine Möglichkeit, um Unterrichtsausfall zu verhindern. "Das mag eine verlockende Perspektive sein", sagt er. Aber in den vielen Corona-Monaten habe sich gezeigt, wie wichtig ein interaktives Geschehen, der Kontakt und Austausch, seien. "Hybrid kann nicht alles leisten."

Schulen in Freising: Die Leiterin der Grundschule im Steinpark: Sabine Jackermaier.

Die Leiterin der Grundschule im Steinpark: Sabine Jackermaier.

(Foto: Marco Einfeldt)

Auch an der Grundschule Freising am Steinpark können derzeit alle Fächer unterrichtet werden. "Momentan sind wir dazu noch in der glücklichen Lage", sagt Rektorin Sabine Jackermaier. Und das, obwohl dort ukrainische Schülerinnen und Schüler in den Regelklassen unterrichtet werden und zusätzlichen Förderunterricht bekommen. Diesen erteile aber die Förderlehrkraft, das seien beispielsweise Drittkräfte oder Personal des Förderprogramms "Brücken bauen". "Das ist natürlich eine große Unterstützung. Somit können wir zusätzlich Förderstunden in verschiedenen Bereichen anbieten." Allerdings nur in begrenztem Umfang.

Fest steht aber auch für Sabine Jackermaier, dass Lösungen gefunden werden müssen, um dem Lehrermangel zu begegnen. Um den Beruf wieder attraktiver zu gestalten, wäre für sie unter anderem die Gleichbehandlung in allen Bereichen der unterschiedlichen Lehrämter wichtig.

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