Großes Forschungsprojekt:Ressourcen sparen, Umwelt schonen

Großes Forschungsprojekt: Die Frage ist: Was kann man noch anbauen, ohne größeren Schaden zu verursachen?

Die Frage ist: Was kann man noch anbauen, ohne größeren Schaden zu verursachen?

(Foto: Marco Einfeldt)

2021 soll eine Landwirtschaftsinitiative starten, in die auch das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) in Freising eingebunden ist. Der Freistaat fördert das Großprojekt mit 20 Millionen Euro.

Von Petra Schnirch, Freising

Das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) in Freising ist in eine große, neue Landwirtschaftsinitiative eingebunden, die voraussichtlich Mitte 2021 starten wird. Ziel ist, innovative Technologien und Produkte für eine nachhaltige Landwirtschaft zu entwickeln und regionale Betriebe durch Forschung zu unterstützen. Ihnen sollen neue Perspektiven eröffnet werden, gleichzeitig sollen Ressourcen und Umwelt geschont werden - letztlich profitieren werden davon also auch die Verbraucher. Der Freistaat fördert das Großprojekt mit dem etwas sperrigen Titel "Fraunhofer-Zentrum für Biogene Wertschöpfung und Smart Farming" mit 20 Millionen Euro, ebenso viel steuert der Bund bei. Insgesamt fünf Fraunhofer-Institute in Bayern und Mecklenburg-Vorpommern sind involviert.

"In der gegenwärtigen Form des Wirtschaftens werden wir nicht weitermachen können", sagt Andrea Büttner, Leiterin des Fraunhofer-Instituts in Freising, mit Blick auf zunehmende Umweltbelastungen und Artenschwund. Hier setzt das neue Verbund-Projekt an. Die Wertschöpfung verschiedenster Rohstoffe aus der Landwirtschaft - auch direkt auf den Höfen - soll sehr viel breiter werden, vom Saatgut bis zum veredelten Produkt. Es geht darum, alternative Ressourcen zu erschließen für Lebensmittel, aber auch Verpackungen.

Die Wertschöpfung verschiedenster Rohstoffe - auch direkt auf den Höfen - soll sehr viel breiter werden

Dies ist seit vielen Jahren einer der Schwerpunkte des Freisinger Instituts. "Wir haben schon in der Vergangenheit konsequent auf alternative Proteinquellen, auf Recycling gesetzt", sagt Büttner - auch wenn sich dafür vor zehn Jahren noch kaum jemand interessiert habe. "Da kommt dem Fraunhofer IVV eine Vorreiterrolle zu." Die Forscher entwickelten beispielsweise Verfahren, um Produkte wie eine Eiscreme oder Milch auf der Basis pflanzlicher Proteine, etwa aus Lupinen, als Ersatz für tierisches Eiweiß herstellen zu können, ohne Einbußen beim Geschmack hinnehmen zu müssen. Einige dieser Produkte haben es bereits in die Supermärkte geschafft. Ein neues Projekt nennt sich "Kerbse" - das ist ein Käse aus Erbsenproteinen.

Auch wasserbasierte, nicht entflammbare Kühlschmierstoffe haben die Freisinger Forscher entwickelt. "Wir denken nicht nur in der Welt der Lebensmittel", sagt die Institutsleiterin, es gehe auch darum, Chemikalien durch andere, umweltverträglichere Stoffe zu ersetzen oder gesunde Futtermittel etwa für die Fischzucht anbieten zu können. Büttner selbst machte mit Untersuchungen zu Schadstoffen in importiertem Plastikspielzeug von sich reden.

Ziel sind Verarbeitungskonzepte, die Lebensmittelsicherheit und Qualität entlang der Wertschöpfungskette maximieren

Dieses Know-how sollen die Wissenschaftler auch in den neuen Verbund einbringen. "Ziel sind innovative, praxisnahe Verarbeitungskonzepte, die die Lebensmittelsicherheit und Qualität entlang der Wertschöpfungskette maximieren", schildert Büttner. Für das Fraunhofer IVV in Freising heißt das: Der Fokus auf alternative, regionale Rohstoffe soll noch einmal gestärkt werden, um sie "sinnstiftend" nutzen zu können. Mit im Boot sind mehrere Hochschulen und Universitäten. Mit Praktikern wie dem Bayerischen Bauernverband ist laut Büttner ein enger Austausch geplant. Denn die Landwirte sollen direkt profitieren, indem sie nicht nur Rohstoffe liefern, sondern stärker in Vorverarbeitung oder Veredelung der Produkte einsteigen - mehrere Höfe könnten beispielsweise genossenschaftlich zusammenarbeiten, so eine der Ideen. Um regulatorische Hürden dafür abzubauen, sei auch ein Dialog mit der Politik notwendig, räumt Büttner ein. Hier sieht sie eine ihrer Aufgaben.

Die Zusammenarbeit in einem wissenschaftlichen Verbund, in einem Netzwerk ist für Andrea Büttner essenziell. Mit einzelnen Projekten könne man den Hebel nicht ansetzen, sagt sie. Wichtig ist ihr auch, dass zwei Fraunhofer-Institute aus Mecklenburg-Vorpommern eingebunden sind. Erst dies ermögliche es, über den Tellerrand zu schauen. Während die landwirtschaftlichen Strukturen in Bayern eher kleinteilig seien, gebe es in dem nördlichen Bundesland großflächige Anbaugebiete, auch die Tierhaltung spiele dort eine zentrale Rolle. "Tiergesundheit und tiergerechte Haltung sind Themen, die uns sehr, sehr treiben", sagt Büttner. Der Einsatz von Antibiotika müsse reduziert werden.

Die Frage ist: Was kann man noch anbauen, ohne größeren Schaden zu verursachen?

"Das Tolle an dieser Initiative ist, dass verschiedene Expertisen ineinander greifen." In Freising liege diese in der Verfahrenstechnik sowie in der chemischen und mikrobiellen Analytik sowie am zweiten Standort des Fraunhofer IVV in Dresden in der Maschinentechnik. Zwei der Schwerpunkte der beteiligten Partner-Institute seien die Digitalisierung und Sensortechnologien, zum Beispiel optische Erkennungsverfahren, die in Aquakulturen zur Anwendung kommen können. Vereinfacht gesagt bedeute dies: "Wir schauen, dass wir die Fische fitter füttern, die Kollegen schauen, ob sie gesund sind. Das ist eine der Visionen", schildert Büttner. Das Verbundprojekt ist zunächst auf fünf Jahre angelegt.

Was Büttner für ihr eigenes Haus antreibt, sind die Themen für die nächsten zehn Jahre. "Für mich sind das vor allem die systemischen Fragen", sagt sie. "Wir müssen uns anschauen: Welche pflanzlichen Ressourcen haben wir; was können wir anbauen, ohne größeren Schaden zu generieren." Es dürfe nicht wieder auf riesige Monokulturen hinauslaufen. Entscheidend sei: "Wie schaffen wir die Transformation hin zu biologisch akzeptableren Systemen mit hoher Biodiversität."

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Weiterer Anbau geplant

Die Arbeit des Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) in Freising ist in den vergangenen Jahren immer stärker in den Fokus gerückt. Deutlich gewachsen ist deshalb auch die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. "Wir platzen aus allen Nähten", sagt Institutsleiterin Andrea Büttner. 2021 sollen zehn weitere Vollzeitstellen hinzukommen. "Unser Institut ist in den vergangenen Jahren extrem erfolgreich gewesen." Deshalb ist an der Giggenhauser Straße ein weiterer Anbau geplant. 2012 war das Institut bereits um ein großes, modernes Lebensmitteltechnikum erweitert worden. Andrea Büttner hofft, dass der Ausbau in vier Jahren fertig ist. "Das ist dringend notwendig." Allerdings steht die endgültige Zusage noch aus. Mit dem neuen Großprojekt "Biogene Wertschöpfung und Smart Farming", in das die Freisinger eingebunden sind, warten neue Herausforderungen. Die Erweiterung wird laut Büttner aber unabhängig davon notwendig. "Wir haben Forschungsfelder, die im wahrsten Sinne des Wortes eskalieren." Überraschend sei das nicht, weil sich das Institut seit vielen Jahren mit Themen befasse, die stark an Bedeutung gewonnen haben: Es geht darum, alternative Ressourcen zu erschließen für Lebensmittel und Verpackungen. Derzeit zählt das Institut am Standort Freising 260 Beschäftigte, viele sind in Teilzeit tätig (insgesamt sind es 200 Vollzeitstellen). Allein in den vergangenen fünf Jahren wuchs die Beschäftigtenzahl von 200 auf 260, Tendenz kontinuierlich steigend. psc

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