Süddeutsche Zeitung

Landwirtschaft:Milch ganz frisch ab Hof

Auch im Landkreis Freising gibt es immer mehr Milchtankstellen. Die Landwirte verdienen sich so ein kleines Zubrot. Reich werden sie damit zwar nicht, erfahren aber so mehr Wertschätzung für ihre Arbeit.

Von Mark Geiger, Freising

Die Milchbauern klagen seit Jahren über die sinkenden Milchpreise. Derzeit zahlen die Molkereien den Landwirten rund 37 Cent je Liter, in Supermärkten liegt der Preis für einen Liter Vollmilch bei lediglich rund 70 Cent. Die Kosten deckt das kaum. Viele Landwirte, auch im Landkreis Freising, verkaufen daher seit einigen Jahren zumindest einen kleinen Teil ihrer Milch zu angemesseneren Preisen schon ab Hof. Möglich machen es die Milchtankstellen, große Automaten mit Kühlung, Zapfhahn, Behälter und Reinigungssystem. Das Prinzip ist einfach: Vor Ort stehen Flaschen bereit - aus Glas oder Plastik. Die hält der Kunde unter den Hahn, wirft Geld hinein und drückt den Startknopf. Die Bauern befüllen die Maschine täglich selbst. Einen Euro je Liter kostet hier die Milch. Das ist ebenfalls nicht viel, aber deckt die Kosten und es bleibt sogar etwas übrig. Die meisten Betreiber bewerten die Milchtankstellen darum als Erfolg - wenn auch als einen kleinen.

Im Landkreis Freising entdeckte zuerst die Familie Goldbrunner aus Au in der Hallertau die neuen Maschinen. Im Urlaub in Österreich war Katharina Goldbrunner angetan von einem der neuen Automaten. Seit März 2016 steht eine Zapfanlage in ihrem eigenen Hofladen in Leitersdorf. Nach zweieinhalb Jahren zieht Goldbrunner eine Bilanz: "Wir sind zufrieden. Wir hatten einen guten Start und es blieb auf einem anständigen Niveau." Sie verlangt den üblichen Euro pro Liter. Der große Gewinn ist so natürlich nicht möglich, aber "wir haben schon dran verdient."

Mittlerweile kamen auch andere Milchbauern des Landkreises auf den Geschmack und zogen nach. Sieben weitere Milchtankstellen existieren bereits: in Haindlfing, Kleinbachern, Dürneck, Pfrombach bei Moosburg, Nandlstadt, Mintraching bei Neufahrn und Weng bei Fahrenzhausen. Das werde allmählich zum Problem, erklärt Goldbrunner: "Ich kenne drei Milchtankstellen rund um Landshut. Die boomen, weil sie die Stadt hinter sich haben. Hier am Land aber brauchst du ein Einzugsgebiet von rund zehn Kilometern, damit sich der Aufwand wirklich lohnt." Konkurrenz in der Nachbarschaft belebt also in ihrem Fall nicht das Geschäft: "Dann teilt sich natürlich die Kundschaft auf."

Ein entfernter Konkurrent und Neuankömmling im Geschäft ist die Familie Betz aus Weng. Seit Juli diesen Jahres betreibt sie einen Hofladen samt Milchtankstelle. Der Automat war für Bernhard Betz und seine Frau, die schon länger einen Hofladen eröffnen wollte, interessant, "weil das gut nebenbei geht, wenn man ein Kind hat und nicht dauernd jemand im Laden bedienen könnte." Auch er ist zufrieden mit dem Geschäft, weiß aber, dass die größte Ausbeute wohl erreicht ist: "Es bleibt etwas über, aber reich wird man natürlich nicht." Einen Euro kostet auch hier der Liter Milch - Rohmilch oder schon pasteurisiert. Nicht viel, aber mehr als die Molkereien zahlen. Deren Milchpreis beeinflussen die Tankstellen jedoch nicht. Dafür ist die umgesetzte Menge zu gering. Das weiß auch Betz. Doch ihm geht es ohnehin um mehr, als nur darum Geld zu verdienen: "Man ist nah dran an den Leuten und die entwickeln so mehr Wertschätzung für die Landwirtschaft. Außerdem trägt man dazu bei, das Umweltbewusstsein der Menschen zu stärken." Von Kunden weiß Betz, dass "Bio nicht das Thema ist. Die Leute wollen wissen, woher die Milch kommt, dass sie aus der Region stammt." Auch Goldbrunner teilt seine Einschätzung.

Viele Bauern bieten zudem Käse aus der eigenen Milch, sowie weitere Produkte an, um Menschen in die Hofläden zu locken. "Die große Masse der Leute wird nie kommen", glaubt Betz, "aber man erarbeitet sich eine Stammkundschaft." Die erhält zwar das kleine Zubrot und stärkt die Region. Die große Milchbauernbefreiung bleibt allerdings aus.

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Quelle:
SZ vom 08.11.2018
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