Kandidatenporträt zur Landtagswahl:Streitbares Mannsbild mit eigener Strategie

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Auf der SPD-Liste hat sich Markus Grill auf den letzten Platz setzen lassen - und hofft so auf zusätzliche Stimmen. Einfach hat er es als Genosse im Landkreis Freising nicht.

Von Kerstin Vogel, Freising

Ja, wie ist er denn nun so, der Kandidat der SPD - außer optimistisch, denn daran führt ja kein Weg vorbei, so als Genosse, geografisch gesehen in der Diaspora Bayern und in dem historischen Umfragetief, in das sich seine Partei hineinmanövriert hat. Dass er es zudem speziell im Landkreis Freising nicht leicht haben würde, in dem bereits die CSU, die Grünen und die Freien Wähler einen Direktkandidaten im bayerischen Landtag sitzen haben, dürfte für Markus Grill klar gewesen sein, als er sich für die Kandidatur entschied.

Und dann ist da ja auch noch das Thema dritte Startbahn, das den Genossen Grill umtreibt, der Flughafenausbau, den er mit großer Leidenschaft und Vehemenz ablehnt, nur dass dieses Thema im Landkreis Freising vor Jahren die Grünen besetzt haben - und die Freien Wähler. Die SPD ist in der Phalanx der Startbahngegner dagegen lange nicht richtig wahrgenommen worden - insofern ist Grill schon ein kleiner Coup gelungen, als er seinen Wahlkampfauftakt nicht nur nach Attaching verlegte, sondern in der Sportgaststätte dort auch die "Ikone" des Startbahnwiderstandes, Hartmut Binner, mit der bayerischen SPD-Spitzenkandidatin Natascha Kohnen diskutieren ließ. Zwischen die beiden passte an dem Abend kein Blatt Papier.

"Vertrauen Sie gestandenen Mannsbildern mit Vollbart": Markus Grill möchte für die SPD in den bayerischen Landtag. Dafür braucht er viele Zweitstimmen und wohl auch ein bisschen Glück. (Foto: Marco Einfeldt)

"Für einen Genossen in Bayern ist ein voller Biergarten ein sehr schöner Anblick", freute sich Grill über die große Resonanz. Freising sei für ihn mit dem Kampf gegen die Startbahn ein gallisches Dorf. Das passe gut, er sei selber quasi Gallier: "Jedenfalls habe ich keine Angst, dass mir der Himmel auf den Kopf fällt", sagte er in Anspielung auf die berühmten Comics von Goscinny und Uderzo. Von der Statur her eher Richtung Obelix tendierend, warb er - auch das gehört zu seinen Eigenschaften - selbstironisch um die Stimmen der Zuhörer: "Vertrauen Sie gestandenen Mannsbildern mit Vollbart", so sein Appell an diesem Abend. Auf einem Wahlplakat mit dem Bezirkstagskandidaten Victor Weizenegger posieren die beiden in Anlehnung an einen bekannten Italo-Western als "Die rechte und die linke Hand der SPD".

Zwar lässt Grill nicht - wie Bud Spencer in dem Film - real die Fäuste fliegen, kämpferisch aber ist er auch, und die Idee, dass in Freising erstmals ein Bündnis "links von der CSU und in der Mitte der Gesellschaft" zustandekommen könnte, die gefällt ihm schon sehr gut. Die SPD soll wieder eine Partei der kleinen Leute werden, das wünscht er sich. Was ihm dagegen ausdrücklich nicht gefällt, ist die Große Koalition und er lässt kaum eine Gelegenheit aus, das wissen zu lassen, zuletzt aktuell nach der Beförderung des umstrittenen obersten Verfassungsschützers Hans-Georg Maaßen zum Staatssekretär: "Diese Koalition muss hier enden! Ich buchstabier den Verantwortlichen in Berlin diesen Satz gerne persönlich", schreibt er auf Facebook.

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Dass er streitbar ist und manchmal harsch, lässt sich an seinen Social-Media-Posts jederzeit ablesen - aber er kann auch Danke sagen, seinen Wahlkampfhelfern etwa, und er kann sich entschuldigen, wenn er mal laut geworden ist. Denn das passiert ihm schon, auch, dass er mal über das Ziel hinausschießt.

Dass Grill jetzt für die SPD in den Landtag will, folgt zum einen seiner politischen Prägung durch die Jusos, einen Physiklehrer und Freunde bei der Antifa, eine möglichst erfolgreiche Kandidatur ist aber schon lange auch ein berufliches Ziel. 2008 hat er zum Oberbürgermeister von Kaufbeuren kandidiert, wenn auch vergeblich. Er habe sich dazu überreden lassen, sagt er, eigentlich aber, weil er schon damals in den Landtag wollte. Diese Kandidatur sei von vorneherein aussichtslos gewesen, aber sie sollte ein Sprungbrett sein, für die Landtagskandidatur im Ostallgäu. Die scheiterte am Ende daran, dass der ehemalige Augsburger OB Paul Wengert dort für den Landtag kandidierte.

Bevor er sozusagen die SPD zum Beruf gemacht hat, war Grill Verwaltungsfachangestellter in einem Landratsamt, dort hatte er auch seine Ausbildung absolviert. Als er 23 oder 24 war, wurde ihm das zu langweilig. Er versuchte sich in verschiedenen anderen Berufen, war unter anderem freier Mitarbeiter bei der Augsburger Allgemeinen, arbeitete in einem Call Center, war angelernter Augenoptiker und angelernter Buchhändler, hat dabei "aber nie das gefunden, was gepasst hat", wie er sagt. Mit 29 wurde er dann Juso-Landesgeschäftsführer und kam zehn Jahre später schließlich nach Freising. 2012 übernahm Grill hier die Stelle des SPD-Geschäftsführers, zog mit seiner zweiten Frau Katharina nach Itzling, übernahm diverse Ämter und entschied sich, hier noch einmal einen Anlauf Richtung Landtag zu wagen. Im Wahlkampf versucht er, mit sozialpolitischen Themen ebenso zu punkten wie mit seinem Eintreten gegen die Startbahn und gegen die nationalistischen Tendenzen im Land. Er verspricht Einsatz für den Wohnungsbau, den Ausbau von Nahverkehr und Dateninfrastruktur. Für notwendige Investitionen würde er auch in Kauf nehmen, dass "die schwarze Null" im bayerischen Haushalt fällt - und wenn er als Landtagsabgeordneter einen Wunsch frei hätte, ein Projekt, das er sofort umsetzen könnte, dann wäre das "Bildungsurlaub für Arbeitnehmer und Ehrenamtliche".

SZ-Grafik (Foto: N/A)

Antifaschismus ist auch noch so ein Thema für Grill. Man müsse den Leuten erst einmal wieder klar machen, dass Antifaschismus nichts Negatives ist, sondern positiv zu besetzen. Ausdrücklich lobt Grill das Engagement der antifaschistischen Gruppe "Erdlinge" aus Moosburg.

Der Hang zur Sozialpolitik kommt ein bisschen auch aus der Familie. Seine Großeltern väterlicherseits waren "eher rot" wie er sagt, sein Vater wählte zwar am Anfang Strauß: "Heute aber wählt er die Linkspartei und schimpft mich, wenn ich nicht links genug bin", sagt Grill lachend. Katholisch ist er übrigens auch noch, sogar Oberministrant war er. Kein regelmäßiger Kirchgänger, aber "man findet mich manchmal alleine in einer Kirche". Geschichte ist sein Hobby - und Grill kümmert sich im heimischen Garten um die Blumen, wenn denn mal Zeit bleibt.

Um es trotz aller Schwierigkeiten in den Landtag zu schaffen, hat sich der 46-Jährige eine ganz eigene Strategie ausgedacht: Er ließ sich bewusst auf den letzten Platz, 31, der Landesliste setzen, "weil man da auffällt". Die Idee ist, auf diese Weise so viele Zweitstimmen zusätzlich auf sich zu vereinen, dass es ihn nach vorne spült. "Kann schon sein, dass ich irgendwo auf 20 oder 21 verhungere", räumt er ein und er weiß auch, dass er den aktuellen Umfragen zufolge schon auf Platz zehn oder elf in Oberbayern vorgewählt werden müsste, um es wirklich zu schaffen: "Ich weiß, wie wahnsinnig das ist", räumt er ein, um so engagierter führt er seinen Wahlkampf und - hofft. Sollte sich der Wahnsinn tatsächlich realisieren lassen, sieht sich Grill als eines nicht: als kleinerer Partner in einer CSU-geführten Koalition. Lieber Opposition, sagt er, und warnt schon mal: "Ich habe nicht vor, mich da beliebt zu machen. Wer das meint, braucht mich nicht zu wählen."

© SZ vom 21.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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