Sechs Fragen an die Kandidaten:"Die Belastungsgrenze ist erreicht"

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Alle sieben Direktkandidaten für den Stimmkreis sprechen sich gegen den Bau einer dritten Startbahn aus. Auch die Pläne für einen Lab-Campus am Flughafen sehen die meisten kritisch, weil sich der Druck auf dem Wohnungsmarkt weiter verschärfen würde.

Das Projekt Lab-Campus, das Thomas Weyer, Geschäftsführer Finanzen der FMG, im März vorgestellt hat, hat für Aufregung in der Region gesorgt. War ursprünglich von 20 000 neuen Arbeitsplätzen die Rede gewesen, haben die Flughafenbetreiber diese Zahl inzwischen nach unten korrigiert. (Foto: Marco Einfeldt)

Fünf Fragen haben die Freisinger Direktkandidaten der Parteien für den bayerischen Landtag der Freisinger SZ schon beantwortet. Mit der sechsten endet die Runde an diesem Wochenende nun zwei Wochen vor der Wahl - eigentlich sind es sogar drei Fragen: Wie stehen Sie zum geplanten Ausbau des Münchner Flughafens? Braucht es die dritte Startbahn? Ist nicht auch der Lab-Campus mit am Ende bis zu 20 000 zusätzlichen Arbeitsplätzen zu viel für diese Region?

Florian Herrmann (CSU): Meine persönliche Meinung zur dritten Startbahn ist bekannt: Ich lehne sie klar ab. Die Bürger der Flughafenregion bringen ein hohes Opfer für ganz Bayern, denn der ganze Freistaat profitiert von dem Flughafen, während die Belastungen unsere Region treffen. Eine weitere Startbahn würde dieses Opfer noch erhöhen, ohne einen adäquaten Gegenwert für Freising zu bringen, zumal die Flugbewegungen auch mit zwei Bahnen bewältigt werden können.

Gerade den Aspekt der Belastung für die Menschen in unserer Region habe ich in den vergangenen Jahren - auch innerhalb der CSU - immer in den Mittelpunkt gestellt und werde das als Stimmkreisabgeordneter weiterhin tun. Gegen die Startbahn zu sein, heißt aber nicht, gegen den Flughafen zu sein: Der ist Bayerns Tor zur Welt und ein wichtiger Arbeitgeber unserer Region. Der Flughafen sichert Existenzen - das dürfen wir nicht vergessen. Im Lab-Campus geht es um Innovation; dort sollen Start-ups ihre Ideen verwirklichen. Mobilität und Luftfahrt sind wesentliche Themenschwerpunkte - das kann auch für Freising enormes Potenzial bedeuten, man denke an ein Flugzeug mit Elektroantrieb, das deutlich leiser startet und landet. Dennoch muss die Balance zwischen Fortschritt und Lebensqualität gewahrt bleiben. Ich werde die Entwicklungen auf dem Lab-Campus genau beobachten und mich diesbezüglich intensiv einbringen.

Markus Grill. (Foto: Marco Einfeldt)

Markus Grill (SPD): Ich lehne den Bau der dritten Startbahn ab. Die SPD hat sogar in ihrem Landeswahlprogramm die Ablehnung der dritten Startbahn am Flughafen München festgeschrieben. Hier zahlt sich die jahrelange Kernerarbeit der SPD Freising aus. Wir haben unsere Landespartei bereits vor Jahren überzeugt. Eine dritte Startbahn ist das Gegenteil dessen, was gut für den Landkreis ist. Wir müssen auch dringend weg von Kurzstreckenflügen. Insbesondere Inlandsflüge sind in Zeiten immer intensiver geführter Umweltdebatten um Diesel-Pkw, Ultrafeinstaub, Klimaerwärmung und schwindende Ressourcen ein Anachronismus.

Der Lab-Campus in seiner derzeit geplanten Form wäre für uns ein wohnungspolitisches Desaster. 20 000 Arbeitsplätze in eine Region mit Vollbeschäftigung zusätzlich zu packen, bedeutet für unseren überhitzten Wohnungsmarkt das endgültige Aus. Die Werkswohnungen, welche der Flughafen derzeit plant, gehen über einen winzigen Bruchteil dieser Zahlen nicht hinaus. Selbst wenn wirklich alle 600 durch die FMG mal genannten, angedachten Wohnungen gebaut werden sollten, reichen sie meiner Meinung nach noch nicht mal aus, die Menschen unterzubringen, welche in den nächsten Jahren die bei der FMG in den Ruhestand gehenden Beschäftigten der ersten Stunde regulär ersetzen.

Johannes Becher (Grüne): Ich lehne den Bau der dritten Start- und Landebahn am Münchner Flughafen ab und werde gemeinsam mit den Bürgerinitiativen alles dafür tun, damit diese Planung endgültig beerdigt wird. In Zeiten des Klimawandels brauchen wir dringend eine nachhaltigere Mobilität. Klimaschutz und dritte Startbahn gehen nicht zusammen. Mit zwei Bahnen ist der Mobilitätsbedarf der Menschen absolut ausreichend gedeckt, und die Belastungen mit Lärm und Dreck sind bereits jetzt enorm.

Unsere Region ist an der Belastungsgrenze angekommen. Das sieht man täglich im Verkehr und beim Wohnungsmarkt. Wenn der Flughafen nun noch mal 20 000 Arbeitsplätze ansiedeln will, dann werden sehr viele Menschen nur deswegen zuziehen. Wo sollen diese Leute wohnen? Wie wollen wir das mit unserer Infrastruktur schaffen? In der letzten Veröffentlichung des Flughafens wurden nun die Prognosen für die Arbeitsplätze durch den Lab-Campus wieder heruntergerechnet. Offenbar rechnet man immer so, wie man das Ergebnis gerade braucht. Im Übrigen gibt es Regionen in Bayern, die froh wären über 20 000 Arbeitsplätze im Sinne der gleichwertigen Lebensverhältnisse. Es muss nicht zwingend alles in der Ballungsregion München angesiedelt werden.

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Die sieben Direktkandidaten für den Landtag stellen ihre Konzepte zum Thema Mobilität vor. Weitgehend einig sind sie sich, dass in den öffentlichen Nahverkehr, aber auch in Fahrradwege kräftig investiert werden sollte.

Benno Zierer (FW): In der Region ist die Belastungsgrenze erreicht, was Lärm und Abgase durch den Flughafen betrifft. Deshalb kämpfe ich seit Jahren gegen den Bau der dritten Startbahn. Dass ein gut vernetzter internationaler Flughafen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und Arbeitgeber ist, ist unbestritten. Die Menschen in unserer Region haben sich mit dem Airport arrangiert, auch mit den Belastungen. Ein Ausbau auf eine Kapazität von rund 700 000 Starts- und Landungen jährlich ist aber keinesfalls vertretbar. Das würde nur dazu führen, dass sich Billigflieger wie Ryanair oder Easyjet auf die zusätzlichen Slots stürzen und einen knallharten Preiskampf austragen würden - über den Köpfen der Menschen im Umland. Die Flughafen GmbH geht von 15 000 neuen Arbeitsplätzen durch die dritte Bahn aus, 20 000 sollten es am Lab-Campus sein. In einer Region, die im Verkehr erstickt und in der Mieten und Grundstückspreise extrem hoch sind, ist das mehr Drohung als Versprechen. Deshalb ist die FMG zurückgerudert und erklärt, man habe sich bei den Arbeitsplätzen am Lab-Campus verrechnet. Erst war von 20 000 Jobs die Rede, jetzt von 50 Personen, die sich pro Jahr im Umland niederlassen sollen. Das sind unseriöse Rechenschiebereien.

Jens Barschdorf. (Foto: Marco Einfeldt)

Jens Barschdorf (FDP): Der Flughafen ist Teil des Landkreises Freising, und er wird nicht verschwinden. Es ist aber ganz klar, dass eine dritte Startbahn für die Stadt Freising und den Landkreis nicht zu bewältigen ist. Sie würde die Wachstumsmöglichkeiten in einer Region mit extremem Wachstumsdruck massiv einschränken und so zu weiterer Wohnraumknappheit führen. Aber wir dürfen den Flughafen auch nicht verteufeln. Er ist schließlich einer der größten Arbeitgeber und auch Sponsor für Vereine in der Region. Die Stadt und der Landkreis profitieren von dessen Gewerbesteuereinnahmen. Nur mit einem ordentlichen Verhältnis können wir auch Forderungen an den Flughafen stellen. Beim Wohnungsbau beispielsweise müssen wir den Flughafen viel stärker in die Pflicht nehmen.

Die Ansiedlung des Lab-Campus sehe ich sehr positiv. Seit vielen Jahren beobachte ich mit Schrecken, dass sich viele Gemeinden, auch die Stadt Freising, immer mehr zu Schlafstädten entwickeln, weil Gewerbeansiedlungen verhindert werden. Mit dem Lab-Campus hat der Landkreis die Chance, zu einem echten Innovationsmotor in Bayern zu werden. Wir brauchen im Landkreis innovative Unternehmen, die uns für die Zukunft wappnen.

Felix Bergauer (ÖDP): Es war immer die Position der ÖDP, dass es die dritte Startbahn nicht braucht. Trotz der leicht gestiegenen Anzahl an Passagieren und Flugbewegungen. Die neue ICE-Strecke von München nach Berlin wird für viele Reisende eine sehr gute Alternative sein, sowohl preislich als auch zeitlich. Man wird sehen, wie sich dieses Angebot auf die derzeit am häufigsten frequentierte Route des Flughafens auswirkt. Noch wichtiger ist jedoch, dass die sich bereits deutlich abzeichnende Erdüberhitzung eine konsequente Reduzierung der CO₂-Emissionen erfordert, nicht eine weitere Erhöhung. Allein das schließt einen weiteren Ausbau von Luftfahrtinfrastruktur für jeden verantwortlich denkenden Menschen aus. Ob der Lab-Campus die Region überfordert, ist eine davon unabhängige Frage. In jedem Fall gibt es berechtigte Sorgen wegen des mit Sicherheit zunehmenden Drucks auf die Infrastruktur sowie den Wohnungsmarkt. Die Forderung an alle Beteiligten (also die Flughafenbetreiber sowie die sich neu ansiedelnden Unternehmen) muss auf jeden Fall lauten, ein ökologisch nachhaltiges, sauberes Konzept für den Lab-Campus zu erarbeiten. An der Diskussion zu einem solchen Konzept wird sich die ÖDP gerne beteiligen.

Guido Hoyer (Linke): Die dritte Startbahn lehne ich, wie meine Partei in Freising, München, Bayern und im Bundestag, weiterhin strikt ab, nicht nur, weil kein Bedarf besteht. Wir brauchen in Zeiten des Klimawandels eine sozial-ökologische Verkehrswende. Kurzstreckenflüge (zum Beispiel zweimal täglich von München nach Nürnberg) sind verkehrspolitischer Blödsinn und klimapolitischer Wahnsinn. Außerdem müssen steuerliche Vergünstigungen des Flugverkehrs abgeschafft werden, zum Beispiel die Kerosinzuschüsse. Ein effektives Nachtflugverbot ist überfällig.

Den Lab-Campus halte ich für sehr problematisch. Die Flughafenregion hat keinen Mangel an Arbeitsplätzen, sondern an bezahlbaren Wohnungen. Die baut die Flughafengesellschaft nicht. Das ist unverantwortlich.

Bernhard Kranich (AfD): Es gibt Vor- und Nachteile. Als Vorteile werden von den Betreibern aufgeführt: die Bedeutung als Wirtschaftsfaktor, die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze sowie Annehmlichkeiten für Urlaubs- und Geschäftsreisende. Die Nachteile sind bekannt: Lärmbelästigung, Umweltbelastung, zusätzliche Belastung durch Zubringerverkehr, weiterer Anstieg der regionalen Mietpreise, drohender Verkehrskollaps durch Pendler und so weiter. Wir als AfD sind für einen verbindlichen Bürgerentscheid durch die Einwohner der betroffenen Landkreise. Als Abgeordneter werde ich den Willen der Bürger vertreten und durchsetzen. Für mich persönlich überwiegen eindeutig die Nachteile der dritten Startbahn, was ich durch Teilnahme an früheren Demonstrationen gegen das Projekt unterstrichen habe.

Der geplante Lab-Campus führt zu weiterer Verknappung von Wohnraum und zusätzlicher Verkehrsbelastung. Ferner ist zu befürchten, dass durch das Abwerben von Arbeitskräften Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt für hiesige Firmen entsteht. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass kein zusätzlicher Wohnraum für die Beschäftigten vorgesehen ist, sondern nur Bürogebäude. Das Wohnen wäre aufgrund der Lage zwischen den Startbahnen auch nicht wünschenswert. Rechtlich ist ohnehin umstritten, ob die FMG so ein Projekt überhaupt durchführen darf, womöglich widerspricht dies dem Gesellschaftervertrag.

© SZ vom 29.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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