Landshut:Zwei Brüder wegen Drogenhandels vor Gericht

Die beiden Männer aus dem Landkreis Freising behaupten, nur Stoff für den Eigenbedarf besorgt zu haben

Von Alexander Kappen, Landshut

Haben die beiden Brüder aus dem Landkreis Freising im größeren Stil mit Marihuana und Kokain gehandelt oder sind sie nur drogensüchtige Konsumenten, die sich Stoff für den Eigenbedarf besorgt haben? Und welche Rolle spielen die von der Polizei eingesetzten Vertrauenspersonen und verdeckten Ermittler bei der ganzen Sache? Diesen Fragen geht derzeit die erste Strafkammer des Landgerichts Landshut unter Vorsitz von Richter Markus Kring nach. Zum Prozessauftakt waren die Beteiligten einer Verständigung schon sehr nahe, doch dann wollten sich die beiden Brüder nicht auf den sogenannten Deal einlassen.

Laut Anklage soll der ältere Bruder - er ist 48 Jahre alt und lebte bis zu seiner Verhaftung im südlichen Landkreis - im März oder April 2019 einen ebenfalls bereits in Haft sitzenden Mittäter beauftragt haben, in Serbien 14 Kilogramm Marihuana an einen Lastwagenfahrer zu übergeben. Der brachte die Drogen nach Deutschland, wo der 48-jährige Angeklagte, so der Vorwurf, zwölf der 14 Kilo gewinnbringend verkaufen wollte, während der mutmaßliche Mittäter zwei Kilo als Entlohnung bekommen sollte. Der jüngere Bruder, 42, der in Freising lebte, soll an den Verhandlungsgesprächen in einer Bäckerei in Hallbergmoos beteiligt gewesen sein. Der Ältere soll dabei einem verdeckten Ermittler bis zu zehn Kilogramm verbindlich zu einem Preis von 2750 Euro pro Kilo angeboten haben. Zudem soll er einem Mann, der ebenfalls strafrechtlich verfolgt wird, in München ein Kilo Marihuana für 2400 Euro verkauft haben.

Der 48-Jährige, Sohn eines Polizisten und wie sein Bruder im Kosovo geboren, stellte die Sache ganz anders dar. Er sei kokainabhängig, sagte der Vater von drei Kindern, "aber mit der Einfuhr des Marihuanas habe ich nichts zu tun". Das habe vielmehr besagter Mittäter, ein Serbe, beschafft. Er, so der 48-Jährige, sei nur gebeten worden, bei den Verkaufsverhandlungen mit einem Albaner als Dolmetscher zu fungieren. Auch die Sache mit dem Verkauf des Kilos Marihuana in München sei "völlig falsch".

Mitte September 2019 wurde der Angeklagte auf dem Park & Ride-Platz in Hallbergmoos festgenommen, nachdem er in München knapp 60 Gramm Kokain erworben hatte. Laut Anklage war es zum Weiterverkauf bestimmt. Der Angeklagte gab an, das Kokain mit Geld, das er von seinem Schwager geliehen habe, nur gekauft zu haben, um es mit Freunden zu konsumieren. Er habe gleich diese relativ große Menge auf Vorrat gekauft, weil es so billiger sei.

Bereits im Mai soll es in Hallbergmoos zu Verkaufsgesprächen mit einem V-Mann der Polizei gekommen sein, bei denen die Brüder eineinhalb Kilo Kokain zum Verkauf angeboten haben sollen. Der Jüngere übergab dem V-Mann laut Anklage 0,12 Gramm Kokain zu Probezwecken. Der 42-Jährige hatte dafür allerdings eine andere Erklärung parat. Der V-Mann habe ihm zwei Paar Schuhe für seine Nichten und Neffen geschenkt. "Als Gegenleistung habe ich ihm eine Line Kokain gegeben, die eigentlich für den Eigenbedarf bestimmt war." Der V-Mann habe übrigens ihn in der Bäckerei angesprochen "und mich gedrängt, mindestens 100 Gramm Kokain zu besorgen, er hat gesagt, er zahlt 80 Euro pro Gramm". Es könne doch keine Straftat sein, sagte der 42-Jährige sinngemäß in der Verhandlung, wenn er von einem V-Mann zum Drogenverkauf animiert werde.

Deshalb lehnte er auch eine Verständigung ab, die ihm bei einem Geständnis eine Mindeststrafe garantiert hätte, die nicht zur Bewährung hätte ausgesetzt werden können. Auch sein Bruder, der zunächst sehr an einem Deal mit Staatsanwaltschaft und Gericht interessiert war, wollte sich am ersten Verhandlungstag dann doch nicht darauf einlassen. Dafür hätte er die Einfuhr des Marihuanas ebenso zugeben müssen wie die Absicht, die besagten 60 Gramm Kokain zu verkaufen.

Die beiden Brüder sind nach eigener Darstellung süchtige Konsumenten, die Drogen zum Eigenbedarf beschafft haben. Darum wollen sie während der Verbüßung ihrer Strafen eine Unterbringung in einer Therapieeinrichtung erreichen. Bei einer Verständigung wäre ihnen das in Aussicht gestellt worden - aber der Preis erschien den Angeklagten zu hoch. Dem 48-Jährigen boten Gericht und Staatsanwalt eine Mindeststrafe von fünf bis sechs Jahren an, doch der Angeklagte wollte die fünf Jahre als garantiertes Strafmaß haben. Dass Richter Kring entgegen seiner üblichen Gepflogenheiten, wie er selbst sagte, den Deal angeboten hatte, lag daran, dass ein wichtiger Zeuge womöglich länger nicht zur Verfügung steht. Der mutmaßliche Mittäter bei der Marihuana-Einfuhr musste im Gefängnis wegen Coronaverdachts ins Quarantäne. Es sei ungewiss, "ob es mit einer einfachen terminlichen Umladung getan ist oder ob das noch eine längere Verzögerung nach sich zieht", sagte der Richter. Der Prozess wird fortgesetzt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: