Landshut/Kranzberg:Prozesstag mit skurrilen Wendungen

Die Landshuter Verhandlung um einen versuchten Mord auf einem Kranzberger Reiterhof gegen zwei Brüder ist um einige Absurditäten reicher

Von Alexander Kappen, Landshut/Kranzberg

Seit März vergangenen Jahres läuft nun schon mit vielen Irrungen und Wirrungen der Prozess gegen ein Brüderpaar, das sich am Landgericht Landshut wegen eines versuchten Mordes auf einem Kranzberger Reiterhof verantworten muss - und das Ganze nimmt langsam groteske Züge an. Am Montagnachmittag sollte ein mutmaßlicher Komplize der beiden Beschuldigten, nach dem lange gesucht worden war, als Zeuge vernommen werden. Das scheiterte durch eine Verkettung widriger Umstände.

Zur Vorgeschichte: Die angeklagten Brüder, bei Prozessbeginn 18 und 23 Jahre alt, hatten die Sache zunächst so dargestellt, dass nur der Jüngere bei dem Wohnungseinbruch im Februar 2020 dabei gewesen ist, bei dem der Reitstallbesitzer mit einem Schlag auf den Kopf lebensgefährlich verletzt wurde. Statt des älteren Bruders soll ein Kumpel des jüngeren an der Tat beteiligt gewesen sein. Im Laufe des Prozesses gestand dann der ältere Angeklagte doch seine Tatbeteiligung - aber nur als Fahrer.

Der zunächst unbekannte Dritte sollte den Berichten der Angeklagten zufolge in der rumänischen Heimat der drei jungen Männer untergetaucht sein. Als die Jugendkammer des Landshuter Landgerichts unter Vorsitz von Richter Andreas Wiedemann zur Vernehmung des vermeintlichen Komplizen eine Videoschaltung an ein rumänisches Gericht organisierte und die Leitung im vergangenen September endlich stand - teilte eine rumänische Richterin dort live mit, der Zeuge befinde sich längst schon wieder in Deutschland.

Inzwischen konnte der Mann in Deutschland festgenommen werden. Wer aber dachte, dass einer Zeugenvernehmung - direkt im Gerichtssaal und diesmal ohne aufwendige Videoübertragung aus Rumänien - jetzt nichts mehr im Weg stehe, der sah sich am Montagnachmittag eines Besseren belehrt.

Vergangene Woche waren die Richter zunächst noch davon ausgegangen, dass der Zeuge aus der Justizvollzugsanstalt in Stuttgart, wo er derzeit in Haft sitzt, nach Landshut gebracht wird und dort am Montag vernommen werden kann. Dann habe es aus Baden-Württemberg am Freitag plötzlich geheißen, der Zeuge könne doch nicht zu besagtem Termin nach Landshut gefahren werden, erläuterte der Richter am Montagnachmittag. Am Vormittag habe er deshalb den bereits gebuchten Dolmetscher abbestellt. Und dann wunderten sich alle Prozessbeteiligten nicht schlecht, dass zu Verhandlungsbeginn um 13.30 Uhr plötzlich doch ein Gefangenentransporter aus Stuttgart am Hof des Landgerichts stand - inklusive des Zeugen. Was allerdings fehlte, war nun ein Dolmetscher oder eine Dolmetscherin.

In Landshut auf die Schnelle jemanden aufzutreiben, sei nicht möglich, ließ der Richter zu Beginn der Sitzung wissen. Deshalb habe er noch eben einen Dolmetscher aus München bestellt. Der brauche aber mehr als eine Stunde, bis er da sei. Das wiederum war nicht mit der beruflichen und privaten Lebensplanung der drei Verteidiger zu vereinbaren. Sie brachten vor, so eine lange Wartezeit nicht eingeplant zu haben und wegen familiärer Verpflichtungen rechtzeitig nach Hause fahren zu müssen. Daraufhin bestellte der Richter kurzerhand den soeben erst engagierten Dolmetscher wieder ab. Der Zeuge wurde dennoch in den Gerichtssaal gebracht. "Zur Inaugenscheinnahme", wie es hieß. Die Prozessbeteiligten konnten sich den Zeugen ohne Maske kurz ansehen, ehe er ohne Vernehmung wieder nach Stuttgart zurückgebracht wurde.

Diese soll nun am 14. Februar nachgeholt werden. Am 28. Februar ist laut aktueller Planung die Urteilsverkündung vorgesehen. Allerdings sollte man sich in diesem Prozess, dessen Ende ursprünglich schon für April 2021 angesetzt war, nicht zu sehr darauf verlassen.

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