Landkreis Freising:Wie die Protestanten und Katholiken sich versöhnten

Landkreis Freising: König Maximilian I. holte die evangelischen Pfälzer nach Bayern. Im Landkreis Freising ließen sie sich im Ampertal nieder.

König Maximilian I. holte die evangelischen Pfälzer nach Bayern. Im Landkreis Freising ließen sie sich im Ampertal nieder.

(Foto: Marco Einfeldt)

Vor etwa 180 Jahren haben sich evangelisch-lutherische Christen im Ampertal niedergelassen. Zunächst wurden sie misstrauisch beäugt.

Von Angie Fuchs, Allershausen

2017 ist es 500 Jahre her, dass Martin Luther seine 95 Thesen in Wittenberg publik machte. Heinz Winkler aus Oberallershausen ist Pfarrer einer der ältesten evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde in Altbayern. Er schildert ihre Geschichte, wie es den ersten evangelischen Christen erging, die sich vor etwa 180 Jahren im Ampertal niedergelassen hatten, und wie sich das Verhältnis zwischen Protestanten und Katholiken entwickelt hat.

In den 1830er Jahren kamen die ersten evangelischen Siedler aus der Pfalz nach Oberbayern - und so auch etwa 200 Menschen aus der Region um das rheinlandpfälzische Landau nach Oberallershausen. Warum verließen sie ihre Heimat und zogen in eine katholisch geprägte Gegend? "In der Pfalz herrschte seinerzeit eine Hungersnot", erklärt Pfarrer Winkler. "Während es in Oberbayern üblich war, dass der älteste Sohn alles erbt, galt in der Pfalz ein anderes Erbrecht - der Grund wurde immer wieder aufgeteilt."

Landkreis Freising: Heinz Winkler ist Pfarrer einer der ältesten evangelisch-lutherischen Kirchengemeinden in Altbayern. Die ersten evangelischen Christen ließen sich vor etwa 180 Jahren im Ampertal nieder.

Heinz Winkler ist Pfarrer einer der ältesten evangelisch-lutherischen Kirchengemeinden in Altbayern. Die ersten evangelischen Christen ließen sich vor etwa 180 Jahren im Ampertal nieder.

(Foto: Marco Einfeldt)

König Maximilian I. holte die Pfälzer nach Bayern

So ergaben sich also irgendwann handtuchgroße Äcker, von denen niemand leben konnte. Gleichzeitig seien zu dieser Zeit in Oberbayern viele Bauernhöfe verwaist gewesen, da viele Männer nicht vom Russlandfeldzug Napoleons zurückgekehrt waren.

König Maximilian I. von Bayern und seine evangelische Gattin Karoline warben also in der damals ebenfalls zu Bayern gehörenden Pfalz Menschen an, nach Bayern zu ziehen und hier ein neues Leben zu beginnen. Und sie kamen. 1837 bauten sich die Siedler in Oberallershausen ihre Pfarrkirche im klassizistischen Stil. Es war eine der ersten in Altbayern. Lange herrschte eher ein Nebeneinander als ein Miteinander: Protestantische und katholische Schulen, protestantische und katholische Friedhöfe, protestantische und katholische Ehepaare. Wobei: "Es gab schon Ehen zwischen evangelischen und katholischen Partnern", sagt Winkler. "Aber öfter wurde der evangelische Partner dann 'katholisch gemacht'. Häufig wurde damals auch darauf gedrängt, dass Kinder aus evangelisch-katholischen Ehen katholisch erzogen werden. Im schlimmsten Falle wurde da mit Exkommunikation gedroht", erzählt der 65-Jährige. Doch als Außenseiter habe man die evangelischen Neubürger schon damals nicht bezeichnen können: "Sie waren tüchtige Bauern und Handwerker und haben sich bald Respekt verschafft", betont er.

Gottesdienst im Rathaussaal

Anfang des 16. Jahrhunderts gab es noch protestantische Gruppen in Bayern, da noch nicht klar gewesen sei, in welche Richtung Bayern konfessionell tendiert, erklärt Florian Notter, Leiter des Stadtarchivs in Freising. 1522, bald nach Luthers Exkommunikation, fiel dann die Entscheidung für die radikale Abkehr vom Protestantismus. Somit bekannte sich zwischen den 1530er Jahren und dem frühen 19. Jahrhundert praktisch niemand zum Protestantismus, da Verfolgung drohte. Dies änderte sich deutlich mit der Konfessionsfreiheit in Bayern Anfang des 19. Jahrhunderts. "Freising war im 19. Jahrhundert nicht solch ein katholisches Bollwerk, wie man meinen möchte", sagt Notter. Im Gegenteil, es habe ein "sehr aufgeklärtes, liberales Bürgertum" gegeben. Ein Beispiel dafür sei, dass 1849 der Stadtrat mehrheitlich der Anfrage der protestantischen Gemeinde zustimmte, ihnen den Rathaussaal als Betsaal zur Verfügung zu stellen. Bereits in den 1840er Jahren habe es von der stetig wachsenden protestantischen Gemeinde in Freising Überlegungen gegeben, wie man sich den weiten Kirchgang ins Ampertal sparen könnte, berichtet Notter. Dies dürfte dann die genannte Anfrage an den Stadtrat zur Folge gehabt haben. Durch die "akademische Expansion" in Weihenstephan und den damit verbundenen Zuzug wuchs die Gemeinde weiter und von 1862 bis 1864 wurde schließlich die Christi-Himmelfahrt-Kirche in Freising erbaut. Anlässlich der Weihe habe es einen Festzug vom Marienplatz zur Kirche gegeben. Auch das zeige, dass die Protestanten in Freising "nicht eigenbrötlerisch, sondern voll integriert" waren. Angie Fuchs

Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchsen die evangelischen Gemeinden

Wie viele evangelische Gemeinden in Bayern, so wuchs auch jene in Oberallershausen nach dem Zweiten Weltkrieg deutlich an: Vor allem aus Schlesien kamen viele Vertriebene und Flüchtlinge. "Damals war die Not so groß, dass die konfessionellen Grenzen aufweichten", sagt Winkler. Seit etwa 30 Jahren ist abermals verstärkter Zuzug zu verzeichnen: Durch den Flughafenbau ziehen viele protestantische Neubürger in den Landkreis Freising und aus den anfänglich 200 Gemeindemitgliedern sind in Oberallershausen mittlerweile 2700 geworden. Doch damit habe auch eine stärkere Fluktuation Einzug gehalten berichtet Winkler: "Wenn früher einer ein Haus gebaut hat, dann wusste man: Der bleibt." Dies habe sich geändert. Zeitverträge, teurere Lebensumstände, die geforderte Mobilität sorgen für stetigen Wandel. "Die Hektik der Zeit verhindert auch ein tiefer gehendes Glaubensleben. Wer beginnt den Tag heute schon noch mit einer Tagesandacht?"

Winkler selbst lebt mittlerweile seit 30 Jahren in Oberallershausen. Vorher war der gebürtige Münchner als Studentenpfarrer in Freising tätig. Der lebendig gelebte Glaube und die Ökumene liegen ihm sehr am Herzen. "Wir können es uns als Christen in dieser Welt nicht leisten, Kräfte auf das Gegeneinander zu verschwenden", findet Pfarrer Winkler. Und das Miteinander von katholischer und evangelischer Gemeinde in Allershausen und Oberallershausen begeistert ihn: "Mindestens einmal im Monat gibt es eine ökumenische Veranstaltung."

"Die Gefahr von Verkrustungen ist immer gegeben"

Brauchen wir heute wieder einen Reformator? "Die Gefahr von Verkrustungen, Bürokratie und Hierarchien ist immer gegeben," sagt Winkler. "Die Kirche muss immer reformiert werden." Doch Veränderungen der Kirche gingen in den allermeisten Fällen von der Basis aus, sagt er, selten von oben: "Papst Franziskus ist da eine große Ausnahme!" In den Siebzigerjahren sei man schon weit gewesen in der Ökumene. Doch "von oben, von den Päpsten", sei das damals nicht so gewollt gewesen. Franziskus sei da anders: "Er sagt 'Probiert es aus, geht voran'". Und in vielen Gemeinden seien die Leute nach wie vor bereit, aufeinander zuzugehen. Man könne ja auch voneinander lernen, ohne sich gegenseitig bekehren zu wollen und so "versöhnte Verschiedenheit" leben, findet Winkler.

Passend dazu zieht Pfarrer Winkler spontan ein Büchlein hervor, in dem er Zitate sammelt, die ihm wichtig sind, und zeigt dabei auf einen Spruch: "Das ist von dem katholischen Theologen Heinrich Fries: 'Nicht die Einheit und die Einigung bedarf der Rechtfertigung, sondern die Trennung'". Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.

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