Landwirtschaft und Dumpingpreise:Bauern unter Preisdruck

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Bei den Kosten für landwirtschaftliche Produkte spielen viele Faktoren eine Rolle. Wer als Konsument ganz sicher gehen möchte, dass er die heimischen Produzenten stützt, muss bewusst regional einkaufen.

Von Nadja Tausche, Freising

Es ist ein bisschen wie bei David gegen Goliath - nur, dass in diesem Fall unklar ist, ob David am Ende gewinnt. Bei der Zusammenarbeit zwischen Landwirten und Supermärkten müssen sich Landwirte in vielen Fällen den Bedingungen unterordnen, die der Lebensmitteleinzelhandel diktiert - so ihre Kritik. Die vier großen Ketten in Deutschland - also Edeka, Aldi, Rewe und Lidl - beherrschen nach Angaben des bayerischen Bauernverbandes rund 85 Prozent des Lebensmittelmarktes. Glaubt man dem Verband, nutzen die Riesen dabei ihre Marktmacht aus. "Die Folge sind ein gnadenloser Preiskampf auf dem Rücken der Bauern und rücksichtslose Rabattaktionen", sagt Bauernverband-Sprecher Markus Drexler. Wie läuft es ab, wenn Landwirte aus dem Landkreis Freising mit Supermarktketten zusammenarbeiten?

Die Familie Bauer hält auf ihrem Betrieb in Giglberg bei Gammelsdorf Schweine, deren Fleisch unter anderen in den Kühltheken von Edeka landet. Die Bauers verkaufen die Tiere dabei nicht direkt an den Supermarkt, sondern an einen Schlachthof in Landshut - mit dem führen sie auch die Preisverhandlungen. "Mitspracherecht haben wir als Erzeuger überhaupt keins", berichtet Rosmarie Bauer. Derzeit sei der Preis in Ordnung - das sei aber vor rund neun Monaten noch anders gewesen. Denn, erklärt Rosmarie Bauers Sohn Martin: In China gehe derzeit die Afrikanische Schweinepest um, das Land exportiere deshalb weniger Schweinefleisch und importiere gleichzeitig mehr aus Deutschland. Bei hoher Nachfrage bekommt die Familie Bauer mehr Geld für ihre Tiere - ist das Angebot an Schweinefleisch groß, muss der Betrieb mit weniger Geld zurechtkommen. Auch der einzelne Einkäufer im Supermarkt bestimme spürbar über Angebot und Nachfrage, sagt Bauer: In der Grillsaison kaufen die Leute zum Beispiel deutlich mehr davon.

Biobauer Christian Meidinger bestimmt den Preis dagegen selbst

Anders sieht die Zusammenarbeit mit Supermärkten bei Christian Meidinger aus. Er und seine Frau betreiben einen Biohof in Neufahrn, sie liefern Eier und Kartoffeln an insgesamt 16 Rewe-Märkte in der Region. Dabei bestimme er den Preis selbst, sagt Meidinger: "Solange der Absatz stimmt, habe ich da freie Hand." Der Preis für seine Kartoffeln sei zwar verhältnismäßig hoch, die Kunden schätzten aber die regionaler Ware für einen stabilen Preis, glaubt er. Meidinger hat aber auch schon andere Erfahrungen gemacht. Früher habe er seine Lebensmittel über den Großhandel vertrieben, erzählt er, die Preise habe der Discounter bestimmt. Einmal sei seine Ware für den Verkauf im Supermarkt nicht angenommen worden - die 25 Tonnen Kartoffeln wären also in der Biogasanlage gelandet, oder man hätte sie verfüttert. Er habe die Kartoffeln dann zurückgenommen, so Meidinger. Dass er den Preis heute selbst bestimmen kann, liegt ihm zufolge auch daran, dass die Märkte in der Gegend liegen und er direkt mit ihnen verhandeln kann.

Hühner mit Auslauf in Neufahrn: Die Bioeier von Christian Meidinger landen in den Regalen von Supermärkten. Den Preis bestimmt er selbst, ist damit aber eher die Ausnahme. In vielen Fällen müssen sich Landwirte den Bedingungen von Supermärkten unterordnen, kritisiert der bayerische Bauernverband. (Foto: Marco Einfeldt)

Mit dem Vorgehen ist Meidinger eher die Ausnahme. "Es kommt nur in sehr kleinem Umfang vor, dass die Landwirte mit den Supermärkten selbst Preisverhandlungen führen", sagt der Geschäftsführer des Bayerischen Bauernverbands in Freising, Gerhard Stock. Außer bei Obst und Gemüse sei meist - wie bei den Bauers - noch eine weiterverarbeitende Stelle dazwischengeschaltet, dazu gehören auch die Molkereien. Das mache die Preisverhandlungen für die Lebensmittelerzeuger aber nicht leichter: "Der Landwirt ist das letzte Glied in der Kette", so Stock. Überhaupt sei der Preis, sagt der bayerische Bauernverband, nur ein Problem von vielen. Vor allem im Obst- und Gemüsebereich würden Bestellungen oft kurzfristig geändert, kritisiert Drexler: Der Supermarkt nehme weniger Ware als bestellt, weil die Kunden das Produkt nicht nachfragen. Schwierig sei auch, wenn der Supermarkt mehr anfordere: Dem könne der Landwirt manchmal einfach nicht nachkommen, wenn etwa die angeforderte Kultur noch nicht Hauptwachszeit habe.

Die Supermärkte sehen das anders. Man lege Wert auf faire und partnerschaftliche Beziehungen zur Landwirtschaft, heißt es aus der Pressestelle von Edeka. Dazu gehöre auch, bei saisonalen Überbeständen oder Ernteausfällen zu reagieren: "So ist es keine Seltenheit, dass Edeka Mehrmengen abnimmt und damit den Erzeugern zusätzliche Absatzchancen bietet", so der Pressesprecher.

Bei Rabattaktionen werden Lebensmittel "verramscht", sagt Martin Bauer

Weit auseinander gehen die Meinungen auch bei etwas, das Martin Bauer als "Nadelstiche" bezeichnet. Bei Rabattaktionen bieten Supermärkte bestimmte Lebensmittel zeitweise billiger an als sonst. Damit, so sieht es Drexler, sinkt der sowieso schon zu günstige Preis für Lebensmittel noch weiter ab. Von Edeka heißt es, man biete Sonderangebote an, um Kunden anzuziehen. Diese gingen aber nicht zulasten der Landwirte. Tatsächlich spürt zumindest Bauer keine direkten Auswirkungen der Rabattaktionen, weil, wie er erklärt, der in der Produktionskette dazwischengeschaltete Schlachthof einen Puffer habe. Aber: Es gehe um Wertschätzung. "Was die Landwirte so stört, ist, dass hochwertige Lebensmittel im Supermarkt verramscht werden." Gleichzeitig hätten Landwirte immerhin hohe Auflagen zu erfüllen, darunter hohe Standards für die Haltungsbedingungen: "Da stehen immerhin Tiere dahinter", so Bauer.

Gerhard Stock, Geschäftsführer beim Bauernverband. (Foto: Marco Einfeldt)

Ein Beispiel dafür, wie wenig die Erzeuger bei der Preisgestaltung ihrer Produkte teilweise mitreden können, kennt Martin Forster. Er ist Vorsitzender der Milcherzeugergemeinschaft Weihenstephan: In der tun sich Milchbauern zusammen, um mit den Molkereien zu verhandeln. Anfang Februar, berichtet Forster, seien die Butterpreise um 20 Cent pro Kilo gedrückt wurden - ohne Not, ist er überzeugt. Denn der EU-weit notierte Preis lag darüber. "Das ist ein krasses Beispiel, wie Supermärkte ihre Marktmacht durchgedrückt haben", findet Forster. Normalerweise laufen die Verhandlungen ihm zufolge zwar einigermaßen einvernehmlich ab. Aber solche Aktionen könnten Familienbetriebe einfach nicht mehr verstehen - und er wisse nicht, wie lange sie das noch mitmachen, sagt Forster, der selbst einen Milchbetrieb führt.

Was heißt das nun für den Verbraucher? Drexler sieht sie in einer "ganz klaren Verantwortung". Er sagt: "Nötig ist das Bewusstsein, dass hohe Standards und hohe Qualität bei Lebensmitteln ihren Preis haben." Relevant für die Preise im Supermarkt seien oft nicht regionale Strukturen, sondern die Bedingungen auf dem Weltmarkt. Der Käufer müsse sich das bewusst machen - und sich fragen, ob er nicht doch das etwas teurere Fleisch aus der Region kaufen wolle.

Das wiederum landet oft gar nicht in den Supermärkten. Stephan Grandl zum Beispiel produziert auf seinem Hof in Marzling nur geringe Mengen an Lebensmitteln - eine Zusammenarbeit mit Supermärkten würde sich da gar nicht lohnen, denkt er. Stattdessen bietet er Fleisch und Käse in regionalen Metzgereien und im Hofverkauf an. "Ich will eher die kleinen Handwerksbetriebe unterstützen", sagt Grandl. Außerdem seien die Einkäufer im Supermarkt nicht seine Zielgruppe: "Die Leute sind dort vielleicht doch eher auf den Preis fixiert." Den Grundpreis verhandle er so, "dass es fair für mich und bezahlbar für den Metzger ist."

© SZ vom 29.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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