Stichwahl zum Landrat:Wohnbau­konferenzen und digitale Überholspur

Stichwahl zum Landrat: Tobias Weiskopf und Joana Bayraktar sprechen sich dafür aus, die Sitzungen des Kreistags live zu streamen. Diese finden im Freisinger Landratsamt statt.

Tobias Weiskopf und Joana Bayraktar sprechen sich dafür aus, die Sitzungen des Kreistags live zu streamen. Diese finden im Freisinger Landratsamt statt.

(Foto: Marco Einfeldt)

Die Landratskandidaten Manuel Mück (CSU) und Helmut Petz (FW) erläutern vor der Stichwahl am Sonntag ihre programmatischen Schwerpunkte.

Interview von Peter Becker, Freising

Stichwahl ist am kommenden Sonntag. Die Wählerinnen und Wähler müssen entscheiden, wer in den nächsten sechs Jahren als Landrat mit dem Kreistag die Geschicke des Landkreises lenken soll. Das Besondere an diesem Urnengang ist, dass er nur über die Briefwahl entschieden wird. Das Personal, das zur Verfügung steht, ist bestimmt; nun stellt noch die Frage, ob es von Helmut Petz von den Freien Wählern oder dem CSU-Kandidaten Manuel Mück angeführt wird. Die Freisinger SZ hat den beiden Bewerbern noch einmal die Gelegenheit gegeben, sich zu ihrem Programm und ihren Zielen zu äußern.

SZ: Wie macht man Wahlkampf in Zeiten der Corona-Pandemie? Wie bringt man seine Botschaften unter die Wähler?

Manuel Mück: Ich freue mich sehr, dass ich nun auch sehr persönlich mit den Wählerinnen und Wählern kommuniziere, denn die Anrufe und E-Mails sind mehr geworden. Selbstverständlich kommt auch Social Media und damit dem Medium Video verstärkt Bedeutung zu. Der klassische Wahlkampf über Plakate wird weitergeführt.

Helmut Petz: In Zeiten der Corona-Pandemie ist der Wahlkampf im Fokus der Menschen in den Hintergrund getreten. Sie sind im Moment mit ganz anderen, oft existenziellen Fragen beschäftigt. Es ist daher nicht einfach, bei der Wahlwerbung das richtige Maß zu treffen. Der Zeitraum bis zur anstehenden Stichwahl ist sehr kurz bemessen, zumal sie ausschließlich als Briefwahl stattfindet. Für Wahlkampf ist aber auch wegen der Ausgangsbeschränkungen kaum mehr Raum, außer über elektronische Medien, Werbeanzeigen oder - wie hier - in Form von Zeitungsinterviews. Ich bedauere sehr, mit den Wählerinnen und Wählern nicht mehr persönlich ins Gespräch kommen zu können, vertraue aber darauf, dass sie sich auf meiner Homepage über mich und meine Themen informieren werden. Ich freue mich auch über Fragen per E-Mail, die ich gern individuell beantworte.

Stichwahl zum Landrat: Landratskandidat Manuel Mück (CSU).

Landratskandidat Manuel Mück (CSU).

(Foto: Marco Einfeldt)

Um noch einmal auf Wahlkampf-Schwerpunktthemen einzugehen: Was ist Ihre wichtigste Botschaft zum Thema Öffentlicher Nahverkehr?

Mück: In den nächsten Jahren gilt es, den klassischen Öffentlichen Nahverkehr weiterhin zu fördern und auszubauen, auch neue Konzepte der E-Mobilität und des Radverkehrs sind zu entwickeln. Ich werde mich um Car-Sharing, Mitfahrportale, Radl-Sharing und Rufbus-Linien kümmern. Eine konkrete Maßnahme im Landkreis ist die Schaffung der neuen Expressbusline von Freising nach Garching. Die U-Bahn-Infrastruktur ist mit der U6 von Garching in den Landkreis Freising fortzuführen. Neben der Schiene sind die Busverbindungen zu beschleunigen und tangentiale Verbindungen zu fördern. Hierzu gehören eine Expressbusline von Allershausen nach München und eine weitere Verbindung in den Landkreis Pfaffenhofen. Ebenso denke ich an eine Expressbuslinie beginnend von Au nach Freising.

Petz: Der Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) ist eine realitätsnahe Möglichkeit, die Verkehrsprobleme in der Flughafenregion in den Griff zu bekommen. Zu-gleich leisten wir damit einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Unser Ziel ist es, die Menschen - wo möglich - durch attraktive Angebote des ÖPNV freiwillig zum Umsteigen zu bewegen. Die seit längerem diskutierte Verlängerung der Münchner U-Bahn (U 6) von Garching nach Neufahrn/Freising würde die A 9 um mehrere tausend Autos täglich entlasten. Eine höhere Taktung oder neue Linien könnten die Bus- und Bahnverbindungen im ländlichen Raum attraktiver machen. Für wichtig halte ich es auch, zukunftsträchtige Mobilitätsmodelle wie den Rufbus auszubauen oder über eine Mitfahr-App weiter nachzudenken.

Was ist Ihre wichtigste Botschaft zum Thema günstiger Wohnraum?

Mück: Wir müssen die Kommunen unterstützen, im genossenschaftlichen Baubereich wieder mehr aktiv zu werden. Für den kommunalen Wohnungsbau rege ich Wohnbaukonferenzen an. Wir werden insgesamt um eine Verdichtung der Quartiere nicht herumkommen. Die akute Wohnungsnot kann gelindert werden, indem Kommunen ermöglicht wird, in die Höhe zu bauen. Dabei muss man über Kompromisse hinsichtlich Wohnqualität, Stadtbild, Denkmalschutz und die Atmosphäre von Stadtvierteln sprechen. Interessant ist es, wenn der Landkreis auf Grundstücke zurückgreifen kann, zum Beispiel wenn der Dienstleistungsstandort am Steincenter gebaut wird, könnten wir an der Stelle, an der jetzt das Gesundheitsamt seine Heimat hat, Personalwohnungen erstellen.

Petz: Wir brauchen gezielte Wohnraumbeschaffungsmaßnahmen für bestimmte Wohnbedürfnisse, wie zum Beispiel Baulandausweisung im sogenannten Einheimischenmodell für die Bauwünsche der angestammten Bevölkerung. Wir brauchen kommunalen Wohnungsbau für bestimmte Berufsgruppen wie etwa Krankenschwestern, Pflegepersonal oder Erzieherinnen, auf deren Hilfe wir dringend angewiesen sind. Für die Ersetzung des maroden Schwesternwohnheims des Klinikums ist der Landkreis zuständig. Der Landkreis kann auch einspringen, wo gemeindliche Möglichkeiten fehlen, etwa mit der landkreiseigenen GmbH. Wir brauchen genossenschaftlichen oder sozialen Wohnungsbau für einkommensschwache Bevölkerungsteile und schließlich das - weitgehend in Vergessenheit geratene - Instrument der Werkswohnungen.

Stichwahl zum Landrat: Landratskandidat Helmut Petz (Freie Wähler).

Landratskandidat Helmut Petz (Freie Wähler).

(Foto: Marco Einfeldt)

Gerade in der Corona-Krise hat sich gezeigt, dass Digitalisierung so wichtig ist wie nie zuvor. Ist die Notwendigkeit, Schulen und Behörden digital auszustatten, gewachsen und nimmt eine neue Priorität ein?

Mück: Schon vor der Krise waren die Digitalisierung der Bildung und des Landratsamtes wesentliche Eckpunkte in meinem Wahlprogramm. In allen Landkreisschulen soll das digitale Klassenzimmer Einzug finden. Die Schulen müssen mit der Digitalisierung Schritt halten, um die Schülerinnen und Schüler bestmöglich unterrichten zu können. In den nächsten Jahren ist das digitale "Landratsamt rund um die Uhr an jedem Ort" weiter auszubauen. Denn nicht die Bürger müssen laufen, sondern die Daten. Ohne auf einen direkten Ansprechpartner verzichten zu müssen. Die Digitalisierung gehört zu einer der größten gesellschaftlichen Herausforderungen. Alle Bereiche im Landkreis gehören dazu. Neben dem Breitbandausbau ist die Mobilfunkversorgung im Landkreis zu verbessern.

Petz: Ein schneller Ausbau rückt deshalb auf meiner Prioritätenliste ganz nach oben. Als Landrat werde ich alles daran setzen, den Landkreis Freising in Sachen digitale Infrastruktur auf die "Überholspur" zu bringen. Dann sollten - die Corona Krise führt uns die Leistungsgrenzen unserer digitalen Infrastruktur vor Augen - Home-Office, Telemedizin, Online-Learning und Online-Coaching im Normalbetrieb, aber auch in Krisensituationen funktionieren. In den Schulen ist die erforderliche PC-Ausstattung grundsätzlich vorhanden. Wichtig ist es hier, die Lehrkräfte fortzubilden sowie über ein eigenes Unterrichtsfach nachzudenken, um die Ausstattung optimal nutzen zu können. Die Behörden sind in Sachen IT grundsätzlich gut ausgestattet. Engpässe gibt es derzeit bei der Erreichbarkeit, wie über das vom Landratsamt eingerichtete Bürgertelefon.

Die Corona-Pandemie wird ihre Spuren in der Wirtschaft hinterlassen. Möglicherweise bricht ein Großteil der Einnahmen durch die Gewerbesteuer weg. Kann der Landkreis alle Projekte umsetzen, die er auf den Weg gebracht hat? Wird vielleicht bei den freiwilligen Leistungen gestrichen?

Mück: Wir sind leider noch mitten in der Krise und sollten vorsichtig sein mit Prophezeiungen. Die Gesundheitsversorgung und die Wirtschaftsförderung müssen danach oberste Priorität haben. Wir sollten ehrlicherweise den Bürgerinnen und Bürgern klar sagen, dass wir "auf Sicht fahren" müssen und Maßnahmen individuell, im Zweifel schnell und konsequent durchführen werden.

Petz: Unser oberstes Ziel muss es sein, denjenigen wieder auf die Beine zu helfen, die durch die Corona-Krise in die Knie gegangen sind oder gehen werden. Beträchtliche staatliche Fördermittel sind bereits in Aussicht gestellt. Jetzt geht es darum, deren Zuwendung schnell und unbürokratisch zu organisieren. Übrigens kann auch jeder Einzelne bestimmte Branchen oder Läden durch sein Konsum- und Einkaufsverhalten gezielt fördern. Welche Folgen die Corona-Krise für die Gewerbesteuereinnahmen haben wird, können wir derzeit nicht absehen, desgleichen nicht, inwieweit sich daraus Einschränkungen bei der Verwirklichung beschlossener Projekte des Landkreises ergeben. Aussagen dazu, ob und welche Leistungen des Landratsamts oder des Landkreises gestrichen werden müssen, sind deshalb schwer möglich.

Ist die ausschließliche Briefwahl vielleicht ein Nachteil für Sie?

Mück: Nein, das sehe ich nicht. Es ist noch einfacher das Kreuzchen bei Mück zu machen, und wer auf Kontinuität gepaart mit neuen Ideen setzt, sollte das tun. Ich werde mein Versprechen, eine nachhaltige, umweltfreundliche Politik mit christlich-sozialen Werten zu verknüpfen, wahrmachen.

Petz: Die Entscheidung, die Stichwahl ausschließlich als Briefwahl abzuhalten, erhöht möglicherweise die Bereitschaft der Wählerinnen und Wähler, zu wählen. Darüber würde ich mich sehr freuen. Ob für mich und meine Wahlchancen bei der Brief-Stichwahl die Vor- oder die Nachteile überwiegen, lässt sich nur schwer abschätzen.

Was nehmen Sie als Erstes in Angriff, wenn Sie zum Landrat gewählt worden sind?

Mück: Erst gilt es, die Lage zu beurteilen, welche Maßnahmen weiterhin getroffen werden müssen, die die Corona-Pandemie betreffen. Und danach gehört ein Plan aufgesetzt, welche Projekte sofort angepackt werden müssen in Bereichen der Gesundheitsversorgung, Wohnen, Digitalisierung und Bildung. Nach dem Motto: Mit Augenmaß und Ziel.

Petz: Angesichts der momentanen Situation steht für mich als Landrat außer Frage, mich als erstes um die Folgen der Corona-Pandemie zu kümmern. Selbstverständlich werde ich meine Ziele als Landrat im Blick behalten und versuchen, sie möglichst rasch umzusetzen. Dabei werde ich das Freisinger Krankenhaus und den Ausbau der digitalen Infrastruktur zur Chefsache machen. Darüber hinaus liegt mir die Fortschreibung des Landkreisentwicklungsprogramms mit den Schwerpunkten "verträgliche bauliche Entwicklung" und "bezahlbarer Wohnraum" besonders am Herzen. Im Landratsamt ist es ein bisschen wie "nach Hause kommen". Ich freue mich auf die Kontakte und die konstruktive Zusammenarbeit mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. In der Kreispolitik werde ich die Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit den politischen Parteien und Gruppierungen ausloten.

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