Schulen:Größere Klassen, immer mehr Aufgaben – und immer mehr Frust

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Der Lehrermangel an Mittelschulen ist groß. Auch im Landkreis Freising mussten im vergangenen Schuljahr Grundschullehrkräfte stundenweise an Mittelschulen unterrichten, weil dort Lehrer fehlten. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Der Mittelschule geht das Personal aus, bayernweit fehlen dort im kommenden Schuljahr 820 Lehrkräfte. Auch im Landkreis Freising spitze sich die Situation zu, sagt BLLV-Kreisvorsitzende Kerstin Rehm.

Von Gudrun Regelein, Freising

Die Zahlen sprechen für sich: Wenn die Lücken nicht geschlossen werden können, werden laut der aktuellen Lehrerbedarfsprognose des Kulturministeriums bis 2034 mehr als 5000 Vollzeitstellen an den Schulen in Bayern nicht besetzt sein. Der bayerische Landesverband der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) schlägt schon für das kommende Schuljahr Alarm, an Bayerns Mittelschulen werden dann 820 Lehrkräfte fehlen, heißt es in einer Pressemitteilung. Auch im Landkreis Freising schaut es nicht entspannt aus.

„Es fehlt in allen Bereichen an Lehrkräften – vor allem aber an den Grund- und Mittelschulen“, sagt Kerstin Rehm, die Kreisvorsitzende des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV). Gewarnt vor dem eklatanten Lehrermangel habe sie schon vor Langem, sagt sie. Zwischenzeitlich sei die Situation an den Grund- und Mittelschulen auch eskaliert, das Schulsystem sei im Winter 2022 am Kollabieren gewesen.

Der Job als Lehrerin oder Lehrer sei nicht mehr so beliebt wie früher – gerade auch an Mittelschulen. „Lehramt Mittelschule will kaum noch jemand studieren, die Zahlen sinken massiv“, sagt sie. Das liege zum einen an der schlechten Bezahlung für die Mittelschullehrer – als Gymnasiallehrer verdiene man von Beginn an mit deutlich weniger Unterrichtsstunden wesentlich mehr. Zum anderen habe die Mittelschule inzwischen ein schlechtes Image, was Gründe habe.

„Im Gymnasium sind die Schülerinnen und Schüler lernwilliger, an den Mittelschulen dagegen müssen viele fast nicht beschulbare Kinder unterrichtet werden“, erklärt Rehm. Kinder mit Kriegstraumata beispielsweise, verhaltensauffällige oder solche mit Migrationshintergrund, die kaum oder auch kein Deutsch sprechen. „Wir haben für den hohen Migrationsanteil einfach zu wenige Kräfte.“ Die Kinder bräuchten eine intensive Betreuung, die über die Schule hinausgeht, fordert Rehm.

„Der Job ist eine Zumutung“

Viele der Lehrkräfte seien am Limit. Viele, die auch jetzt in den Sommerferien bei ihr anrufen würden, erzählten, dass sie ausgelaugt seien, im vergangenen Schuljahr für nichts anderes als für die Schule Zeit gehabt hätten. Viele weinten auch, sagt Rehm. „Der Job, was von Lehrkräften gefordert wird, ist eine Zumutung.“ Das führe in eine absolute Überforderung. „Und das spricht sich natürlich herum, niemand will so einen Beruf haben – immer weniger stellen sich dieser Herausforderung.“ Im Landkreis Freising sei es schon jetzt so, dass die Mittelschule ohne den Einsatz von Grundschullehrkräften nicht mehr lebensfähig wäre.

Dazu komme noch das sogenannte Piazolo-Paket mit Notmaßnahmen, wie der Erhöhung des Antragsruhestandes, der Aussetzung des Sabbatmodells und der massiven Einschränkung von Teilzeit für Lehrkräfte, die keine Kinder unter 18 Jahren betreuen. Das habe der Attraktivität des Berufs enorm geschadet, betont Rehm. Von der Politik werde die Katastrophe zwar gesehen, aber gehandelt werde nicht. „Alle schauen zu und denken, die Schulen machen das schon irgendwie.“ Unter den momentanen Bedingungen könne auch sie niemandem mehr raten, Grund- oder Mittelschullehrer zu werden, sagt Rehm.

Früher habe der Beruf noch Freude gemacht – auch Rehm hat selber viele Jahre lang in Grundschulen unterrichtet. Im Laufe der vergangenen Jahre aber seien die Aufgaben immer mehr gewachsen, die Klassen immer größer und heterogener geworden. Immer mehr Eltern würden die Erziehungsverantwortung an die Lehrkräfte delegieren, „das haut so einfach nicht mehr hin“. Das Schulsystem werde systematisch gegen die Wand gefahren. „Wenn von politischer Seite nicht bald etwas passiert, wird nicht nur die Qualität des Unterrichts stark leiden, sondern die Kinder werden auch nicht mehr von studierten Fachkräften beschult werden können.“

Die Personalplanung ist zu einer Herausforderung geworden

38 staatliche Grund- und Mittelschulen gibt es im Landkreis Freising, dazu kommen noch einmal zwei private, für diese sei das Schulamt beim Thema Personal aber nicht zuständig, sagt Schulamtsdirektorin Sigrid Heck. 29 von den staatlichen Schulen sind Grundschulen, neun Mittelschulen. Bereits im vergangenen Schuljahr mussten Grundschullehrkräfte auch stundenweise an Mittelschulen unterrichten, weil dort Lehrer fehlten. Anders wäre es nicht gegangen. Die Personalplanung für das kommende Schuljahr sei zwar noch nicht zu 100 Prozent abgeschlossen, berichtet Heck. Aber auch im kommenden Schuljahr werde das im vergleichbaren Umfang wieder so sein.

„Wir versuchen, das vor allem an den Vollschulen zu praktizieren“, sagt Heck. Das sind Schulen mit Grund- und Mittelschulen an einem Standort und mit einer Schulleitung. Diese bekommen für die Grundschule ein kleines Plus an Unterrichtsstunden, über die die Leitung dann frei entscheiden kann – wenn notwendig, kann dann eine Grundschullehrkraft auch stundenweise an der Mittelschule unterrichten.

Im Vergleich zu früher sei die Personalplanung zu einer größeren Herausforderung geworden, sagt Heck. Alle Schulen mit den notwendigen Lehrkräften bedarfsgerecht zu versorgen, werde immer schwieriger. Aber das werde auch im kommenden Schuljahr wieder gelingen: „Vor jeder Klasse wird ein Lehrer – oder eine Lehrerin – stehen.“

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