Geschichte:Glücksgriffe für Archäologen

Geschichte: Unter Denkmalschutz steht mittlerweile die Sabathiel-Baracke in Moosburg. Dort fanden Archäologen Reste der alten Bodenplatte.

Unter Denkmalschutz steht mittlerweile die Sabathiel-Baracke in Moosburg. Dort fanden Archäologen Reste der alten Bodenplatte.

(Foto: Marco Einfeldt)

Neue Grabungsstätten ermöglichen weitere Einblicke in die mehr als 7000 Jahre alte Siedlungsgeschichte des Landkreises Freising. Die wirken wie ein Schaufenster in dessen Vergangenheit.

Von Peter Becker, Freising

Mehr als 750 Bodendenkmäler gibt es im Landkreis Freising. Sie zeugten von der mehr als 7000 Jahre andauernden Siedlungsgeschichte in der Region, heißt es im Jahresrückblick der Kreisarchäologie im Landratsamt. Schwerpunkte sind demnach die Lössflächen im Tertiären Hügelland im Norden von Freising. Doch Neubauprojekte in Eching, Neufahrn und Neufahrn fördern immer wieder Relikte aus der Vergangenheit zu Tage. Sie bildeten im abgelaufenen Jahr Schwerpunkte der archäologischen Arbeit im Landratsamt. Über 40 Fundstellen gab es 2022 zu untersuchen. Die Bilanz kann sich sehen lassen: An mehr als der Hälfte der Orte wurden die Archäologen fündig. Zum Vorschein kamen Spuren von Siedlungsresten wie Pfostenlöcher, Grundrisse von Häusern, Vorrats- und Arbeitsgruben, Feuerstellen, Öfen, Werkstattabfälle und Gräber. Letztere geben Aufschluss über Begräbnisriten und Jenseitsvorstellungen.

Ergiebig waren archäologische Untersuchungen "Auf dem Plan" in Moosburg. Von August an seien mehrere Sondagen geöffnet worden, die Einblicke in den Stadtkern eröffneten, heißt es im Jahresbericht. Wie bereits 2021 entdeckten die Forscher in einem der gefundenen Gräber eine erwachsene Person mit einem Kind. Zum Vorschein kamen ebenso Erdöfen und Pfostengruben aus der frühen Neuzeit. Zum Bedauern der Archäologen waren manche der Funde bereits durch moderne Leitungsgräben beeinträchtigt.

Keramikfunde kommen bei Arbeiten am "Hudlerhaus" in Moosburg zum Vorschein

Umgebaut wird das alte "Hudlerhaus" in Moosburg. Für die statischen Maßnahmen waren tiefere Eingriffe in den Boden notwendig. Dabei kamen einige Keramikfunde zum Vorschein. Diese stammen aus dem 15./16. Jahrhundert und ergänzen die bisherigen Kenntnisse über das "Hudlerhaus".

In der Nähe eines vor- und frühgeschichtlichen Bodendenkmals befindet sich das Baugebiet "Amperauen". Archäologen waren dort bereits auf mittelalterliche Siedlungsspuren gestoßen. Knapp 30 weitere Funde wurden dort aufgedeckt. Die Keramik lässt sich auf das späte Mittelalter datieren und bestätigt die Ergebnisse aus früheren Grabungen. Diese werden 2023 fortgesetzt.

Die Archäologen befassen sich auch mit der jüngsten Zeitgeschichte. So zum Beispiel mit der Sabathiel-Baracke des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers Stalag VII A. Dort siedelten sich von 1948 an Flüchtlinge an. Darunter befand sich der Namensgeber der letzten erhaltenen Wohnbaracke, der Möbelschreiner Sabathiel aus Königsberg. 2013 stellte das Landesamt für Denkmalpflege das heruntergekommene Gebäude unter Denkmalschutz. Um den Dachstuhl abzustützen, waren mehrere Öffnungen im Boden notwendig. Dabei entdeckten die Archäologen Reste der alten Bodenkonstruktion, die sie dokumentierten.

Ein Holzbohlenweg gibt Einblicke über die Handelsbeziehungen der Marktgemeinde Au

Bereits im Jahr 1930 haben Bauarbeiter bei Straßenarbeiten in Au einen alten Holzbohlenweg entdeckt. Zu Beginn der Sanierung der Unteren Hauptstraße kam dieser wieder ans Tageslicht und wurde als ein den Ort durchziehender Weg dokumentiert. "Ein wahnsinniger Glücksgriff für die Archäologen", heißt es im Jahresbericht des Landratsamts. 2022 konnte der Bohlenweg nördlich der Mainburger Straße auf einer Länge von 4,6 Metern erneut aufgedeckt werden. Daneben befanden sich zwei Ziegelbrunnen. Der Bohlenweg gewährt Einblicke in die Handelsbeziehungen der Marktgemeinde.

Von Oktober an fanden Grabungen im Bereich des neuen Baugebiets "Wollersdorfer Feld II" in Mauern statt. Wie schon in den Jahren zuvor entdeckten die Archäologen Pfostengruben und Grubenbefunde, die sich Hausgrundrissen aus der Zeit der Linearbandkeramik zwischen 5400 und 5000 vor Christus zuordnen lassen. Behilflich waren bei dieser Kampagne wieder Ehrenamtliche des Archäologischen Vereins Freising. Die Ergebnisse zeigten, heißt es im Jahresbericht, dass sich die Siedlung aus der Zeit der Linearbandkeramik noch weit in den Norden erstreckt.

In Eching gab es einst ein Gehöft mit Langhaus und zwei Grubenhäusern

Mit Zunahme der Bautätigkeiten in Eching steigt dort die Zahl der Bodendenkmäler. Im Zentrum der Gemeinde haben Archäologen Siedlungsstrukturen gefunden. Diese ordnen sie einem frühmittelalterlichen Gehöft zu. Dieses bestand aus einem Langhaus und mindestens zwei in die Erde eingegrabene Grubenhäuser.

Beim Bau eines Aussiedlerhofes am Ortsrand von Neufahrn wurde im Frühjahr eine Hockerbegräbnisstätte gefunden. So werden Bestattungen bezeichnet, bei denen der Leichnam mit angewinkelten Armen und Beinen ins Grab gelegt wurde. Höchstwahrscheinlich handele es sich um eine Bestattung aus der Zeit des Endneolithikums, wohl der Glockenbecherkultur. Archäologen datieren das Grab auf den Zeitraum um 2200 bis 2000 vor Christus, dem Übergang der Jungsteinzeit zur Bronzezeit.

Geschichte: Sanierungsarbeiten beim Mesnerhaus in Neufahrn förderten zahlreiche Gräber zu Tage.

Sanierungsarbeiten beim Mesnerhaus in Neufahrn förderten zahlreiche Gräber zu Tage.

(Foto: Anzenberger & Leicht)

Sanierungsarbeiten beim Mesnerhaus in Neufahrn förderten zahlreiche Gräber zu Tage, die aus dem Hoch- und Spätmittelalter stammen. Bereits seit dem frühen 14. Jahrhundert ist die Katholische Kirche Hl. Kreuz und St. Wilgefortis in Neufahrn genannt. Typische Fundstücke weisen darauf hin, dass der Friedhof bis in die frühe Neuzeit belegt war. Im 16. Jahrhundert entstand das erste Mesnerhaus als unterkellerte Friedhofskapelle mit Beinhaus.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde das Gebäude inklusive Keller nach Süden erweitert. In den Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts wurden der alte Keller und seine südliche Erweiterung tiefergelegt. Berichten zufolge sind schon damals menschliche Knochen gefunden und Gräber zerstört worden. Insgesamt bargen die Archäologen 180 Bestattungen. Sie mutmaßen aber, dass viele Gräber öfter vergeben wurden, weshalb die Zahl der Bestattungen deutlich niedriger liegt.

Der Schlossberg in Massenhausen erweist sich als reichhaltige Fundstelle

Als reichhaltige Fundstelle erwies sich der Schlossberg in Massenhausen, wo ein Neubau ansteht. Die einstmals dort errichtete Burg wurde 1130 erstmals urkundlich erwähnt, im Dreißigjährigen Krieg zerstört und 1804 abgebrochen. Auch dort wurden viele Gräber gefunden. "Weitere Aussagen über die Umstände und Datierung der Verstorbenen sind erst nach Abschluss der Untersuchungen möglich", heißt es im Jahresbericht der Kreisarchäologie.

Im Zollinger Ortsteil Flitzing fanden ebenfalls Grabungen an einem ehemaligen Schloss statt. Urkundlich erwähnt wird der Ort Flitzing erstmals um das Jahr 900. Das Dorf ist benannt nach den Grafen von Flitzing, aus einer Familie von Ministerialen am Hochstift Freising, die seit dem 10. Jahrhundert in Flitzing nachgewiesen sind. Das Hofmarkschloss in Flitzing, ein Herrenhaus am Westrand des Dorfes, war deren Stammsitz. Nur wenige Quellen berichten von dessen Bau. Ein Stich des bayerischen Hofkupferstechers Michael Wening aus dem Jahr 1723 zeigt einen zweigeschossigen Walmdachbau.

Auf der dem Standort des Herrenhauses entsprechenden Anhöhe hatte sich zuletzt ein verfallenes Bauernhaus befunden. Weil ein Neubau ansteht, untersuchten Archäologen das Gelände. Sie stießen auf Mauernzüge, die sie mit Hilfe von gefundener Keramik auf das 15. und 16. Jahrhundert datierten. Das Hofmarkschloss war offenbar mehrmals umgebaut worden, bevor es im 17. Jahrhundert aufgegeben wurde.

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