Ganz ruhig und gefasst saß er da. Der Angeklagte - in schwarzen Jeans, weißem Sweatshirt und Turnschuhen erschienen -hatte die Hände in seinem Schoß verschränkt und folgte regungslos den Ausführungen der Staatsanwältin. Das, was diese dem heute 41-Jährigen aus Halle an der Saale, der früher mit seiner Familie im Landkreis Freising wohnte, vorwarf, hatte es in sich: Körperverletzung, versuchter schwerer sexueller Missbrauch von Kindern, versuchte Vergewaltigung und versuchter schwerer sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen. Dazu vollendete Vergewaltigung, sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen und Beischlaf zwischen Verwandten.
Konkret wird dem Angeklagten, der sich seit Freitag vor der als Jugendschutzgericht tagenden Jugendkammer des Landgerichts Landshut verantworten muss, zur Last gelegt, seine 2004 geborene Tochter regelmäßig geschlagen und sich in zwei Fällen auch sexuell an ihr vergangen zu haben. Angefangen haben soll es laut Anklage, als die Tochter etwa neun Jahre alt war. In der gemeinsamen Wohnung, so der Vorwurf, soll er sie "mehrmals in der Woche" geschlagen haben. Dabei soll er sie auch am Hals gepackt, gegen die Wand gedrückt und ihr in die Rippen geschlagen haben.
In der Wohnung im nördlichen Landkreis Freising, wo die Familie zunächst lebte, soll sich, vermutlich im Herbst 2016, auch der erste in der Anklageschrift aufgeführte sexuelle Übergriff ereignet haben. Damals, so der Vorwurf, soll der Angeklagte seine Tochter nicht nur geschlagen, sondern auch versucht haben, sie zu vergewaltigen - was letztlich daran scheiterte, dass sich das Mädchen so heftig wehrte.
Der zweite Vorfall ereignete sich dann zwischen Ende 2019 und Anfang 2020, als die Familie in Moosburg wohnte. Damals soll der Vater gegen den Willen seiner Tochter mit dieser Geschlechtsverkehr gehabt und dabei ausgenutzt haben, dass diese aufgrund von Cannabis- und Medikamentenkonsum "nur eingeschränkt in der Lage war, sich zu wehren", so die Staatsanwältin. Laut Anklage erkannte das der 41-Jährige, nahm es aber "zumindest billigend in Kauf". Zu beiden Tatzeitpunkten war der Angeklagte offenbar stark alkoholisiert. Die Staatsanwaltschaft kann deshalb nicht ausschließen, dass seine Fähigkeit, "das Unrecht seiner Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln", erheblich vermindert war.
Zum Prozessauftakt am Freitag führte der Verteidiger im Auftrag seines Mandanten Verständigungsgespräche mit der Kammer unter Vorsitz von Richterin Michaela Wawerla und der Staatsanwältin. Eine Einigung kam jedoch nicht zustande, wie die Vorsitzende hinterher berichtete. Zu weit lagen die Vorstellungen der Prozessbeteiligten auseinander. Während seitens der Verteidigung offenbar von einer bewährungsfähigen Strafe die Rede war, hielt die Staatsanwältin bei einem Geständnis eine Freiheitsstrafe um die sechs Jahre für angemessen.
"Er hat von Mittag bis spät in die Nacht gesoffen"
Die zuständige Sachbearbeiterin der Kriminalpolizei berichtete als Zeugin, die Tochter sei in der Polizeiakte bereits vermerkt gewesen, "weil sie mal abgängig war - und wegen Suizid-Versuchen". Das bestätigte das Mädchen auch in einer aufgezeichneten Videovernehmung durch die Polizei, die in der Verhandlung gezeigt wurde. Ihr Vater sei "Alkoholiker, er hat von Mittag bis spät in die Nacht gesoffen", erzählte das Mädchen in der Vernehmung. Geschlagen habe er sie immer nur, wenn sie allein zu Hause gewesen seien, also wenn die Mutter und die beiden Geschwister nicht da waren.
Als sie im Video von der versuchten Vergewaltigung im Jahr 2016 berichtete, saß der Angeklagte, wie schon beim Verlesen der Anklageschrift, ganz ruhig und gefasst da: die Hände im Schoß verschränkt, den Blick starr auf die Leinwand gerichtet. Auf dieser war unterdessen die Tochter zu sehen, die unter Tränen von den Vorfällen berichtete. Etwa davon, dass ihr Vater gesagt habe, sie dürfe nichts erzählen, sonst passiere "etwas Schlimmes". Sie sei dann in ihrem Zimmer gesessen und habe sich selbst verletzt. "Und ich habe versucht, mich umzubringen, weil ich mit dem Ganzen nicht mehr klargekommen bin." Zusätzlich zu den schlimmen häuslichen Zuständen sei sie auch in der Schule gemobbt worden.
Als sie nach den Misshandlungen vor Schmerzen in der Schule nicht mehr richtig habe sitzen können, habe sie eine Lehrerin darauf angesprochen. Ihre Lüge, sie sei auf der Treppe gestürzt, habe ihr die Lehrerin jedoch nicht abgenommen. Als der Jugendsozialarbeiter der Schule hinzugezogen wurde, rückte das Mädchen ihren Angaben zufolge dann mit der Wahrheit heraus.
Der Prozess wird fortgesetzt.