Süddeutsche Zeitung

Haftstrafen wegen Raubs in Neufahrn:"Hohe kriminelle Energie und Skrupellosigkeit"

Das Landgericht Landshut verurteilt zwei 33-jährige Angeklagte, die einen 93-Jährigen überfallen und ihm 240 000 Euro gestohlen haben, jeweils zu mehreren Jahren Gefängnis. Dass das Opfer mit einem Messer bedroht wurde, ist nach Ansicht der Kammer nicht erwiesen.

Von Alexander Kappen, Neufahrn

Am Ende kam den beiden Angeklagten nicht nur ihr überschießendes Geständnis zu Gute, sondern auch die Robustheit des Opfers. Die beiden 33-jährigen Angeklagten, die zugegeben hatten, Ende Januar 2021 einen heute 93-jährigen Rentner in dessen Haus in Neufahrn überfallen und dabei 240 000 Euro Bargeld erbeutet zu haben, sind am Dienstag von der ersten Strafkammer des Landgerichts Landshut zu Haftstrafen von fünf Jahren und vier Monaten sowie vier Jahren und vier Monaten verurteilt worden. Wobei bei Letzterem eine offene Strafe aus einem früheren Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf in eine Gesamtstrafe mit einbezogen worden ist. Die Strafe für den Raub in Neufahrn betrug in diesem Fall drei Jahre und zehn Monate.

Die beiden Angeklagten, ein 33-jähriger gelernter Bäcker und sein gleichaltriger Komplize, waren nach Überzeugung des Gerichts Mitglieder eines Täter-Trios. Den Tipp, dass sich in dem Haus des Rentners viel Bargeld befinde, sollen die beiden Angeklagten von einem Dritten bekommen haben, der aufgrund ihrer Geständnisse inzwischen ebenfalls festgenommen worden ist und sich in einem gesonderten Verfahren verantworten muss. Der Tippgeber und mutmaßliche Anstifter zu dem Raub wiederum soll vom alkoholsüchtigen und inzwischen verstorbenen Neffen des Opfers den Hinweis auf das viele Bargeld in der Wohnung bekommen haben.

Angeklagt waren die beiden Männer wegen schweren Raubes in Mittäterschaft, wobei sie das Opfer nicht nur gefesselt und geknebelt, sondern es auch mit einem Messer bedroht und dieses zeitweise an die Kehle gehalten haben sollen. Das sagte der Geschädigte auch in der Hauptverhandlung aus, in der er von einem "Messer oder Dolch" sprach. Der Staatsanwalt war nach der Beweisaufnahme auch überzeugt, "dass die Täter ein Messer dabei hatten". Für ihn war es "ein Paradebeispiel des schweren Raubes mit hoher krimineller Energie". Es sei nur Glück, dass der Geschädigte keine körperlichen oder psychischen Schäden erlitten habe. Der Staatsanwalt beantragte Strafen von fünf Jahren und zehn Monaten sowie sechs Jahren und drei Monaten unter Einbeziehung des Urteils aus Düsseldorf.

Die beiden Angeklagten bestritten jedoch, ein Messer dabei gehabt zu haben. Sie hätten lediglich zwei Schraubenzieher zum Aufhebeln des Fensters mit sich geführt. Diese, so versicherte der angeklagte Bäcker, seien aber schon in seinem Rucksack verstaut gewesen, als er dem Geschädigten in dessen Haus begegnete. Er habe jedoch eine bronzefarbene Taschenlampe in der Hand gehalten. Seine beiden Verteidiger beantragten für ihren Mandanten eine Strafe von vier Jahren.

"Das sind keine netten Räuber", betont der Vorsitzende Richter

Der andere Angeklagte, der mit der Ankündigung eines umfassenden Geständnisses alles ins Rollen gebracht und schließlich auch seinen Mittäter zu einer geständigen Einlassung veranlasst hatte, spielte nach Ansicht seines Verteidigers - er sah drei Jahre und zehn Monate für seinen Mandanten als angemessenen Strafe an - "nur eine untergeordnete Rolle". Er sei nur eingeplant gewesen, um auf das Opfer aufzupassen. Zudem habe er, so der Verteidiger, auch darauf geachtet, den Rentner nicht zu fest zu fesseln. Tatsächlich konnte sich der 93-Jährige letztlich selbst befreien und die Polizei rufen.

Der Vorsitzende Richter Ralph Reiter ging in seiner Urteilsbegründung auch auf das überschießende Geständnis der beiden Angeklagten ein, die zugaben, 240 000 Euro gestohlen zu haben und nicht 30 000, wie das Opfer angegeben hatte und wie es auch in der Anklageschrift stand. Ohne die Geständnisse "wäre das wohl nie im Leben zu eruieren gewesen". Rechtlich bedeutend sei, ob der Rentner mit einem Messer, also einer Waffe, einem Schraubenzieher, der als gefährlicher Gegenstand gilt, oder nur einer im juristischen Sinn unbedeutenden Taschenlampe bedroht worden sei. Wenn man von einem Messer oder Schraubenzieher ausgehe und somit eine höheren Strafe wähle, "muss man sich ganz sicher sein, aber im Zweifel können wir uns hier nicht davon überzeugen". Man könne sich nicht zu 100 Prozent auf die Aussage des Geschädigten verlassen, dieser habe beispielsweise "auch gar nicht gewusst, wieviel Geld er im Haus hat". In jedem Fall sei die Tat aber von "hoher krimineller Energie und Skrupellosigkeit getragen, das waren keine netten Räuber".

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