KZ-Außenlager NeufahrnAuf Zelluloid gebannt

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Fast 500 Gefangene aus ganz Europa mussten vom Außenlager aus in der Heide ein Rollfeld bauen.
Fast 500 Gefangene aus ganz Europa mussten vom Außenlager aus in der Heide ein Rollfeld bauen. (Foto: Bayer. Landesvermessungsverwaltung, Luftbildarchiv)

Eine Luftbildaufnahme aus dem April 1945 dokumentiert, wo sich in Neufahrn das Außenlager des KZ Dachau befunden hat. Die Häftlinge sollten eine 1700 Meter lange Rollbahn für Flugzeuge anlegen

Von Birgit Grundner, Neufahrn

Die im April 1945 entstandenen Luftbildaufnahmen, von denen eine auf dem neuen Mahnmal an der Dietersheimer Straße angebracht ist, sind mehr als ein Beleg für die Existenz des KZ-Außenlagers Neufahrn: Sie zeigen, welche sichtbaren Spuren der Zweite Weltkrieg in Neufahrn hinterlassen hat. Am Samweg zum Beispiel ist noch heute die Stelle zu sehen, an der direkt neben einem Wohnhaus ein amerikanisches Militärflugzeug abgestürzt ist. Am jetzigen Schulstandort am Fürholzer Weg befanden sich Bunker und Baracken der Luftwaffenhelfer und der SS. Die Einschläge von Notabwürfen sind im südlichen Neufahrn zu erkennen - nahe der Kiesgrube, die später zum Fußballplatz wurde und heute ein Wohngebiet ist. Und an der Dietersheimer Straße gab es in unmittelbarer Nähe des Außenlagers weitere Baracken, die aber nicht mehr bezogen wurden. Denn am 29. April 1945 war der Krieg auch in Neufahrn zu Ende.

Die fast 500 Häftlinge im Außenlager des KZ Dachau wurden von den Amerikanern befreit. Sie hatten noch in den letzten Kriegswochen nahe der Straße zwischen Dietersheim und Eching eine Rollbahn für Nazi-Flugzeuge anlegen sollen. Daneben mussten sie Deckungslöcher für die Wachmannschaft graben - winzige Punkte auf der Luftaufnahme.

Die Häftlinge mussten mit Pickeln und Schaufeln arbeiten, wurden aber auch jeweils zu acht vor breite Planierschaufeln gespannt. Das erzählte ein Neufahrner Landwirt - damals noch ein Bub - dem Neufahrner Historiker und ehemaligen BR-Journalisten Ernest Lang. Dieser erfuhr durch Zeitzeugen auch von zwei Landwirten, die Kartoffeln für die hungernden Häftlinge über den Zaun geworfen hatten und danach von Wachleuten bedroht wurden. Wenn so etwas noch einmal vorkomme, dann sei er bald selbst innerhalb des Stacheldrahts, wurde einem der beiden gesagt.

Davon berichtete Lang bei einer Veranstaltung des von ihm geleiteten Heimat- und Geschichtsvereins, der das vorige Woche eingeweihte Mahnmal initiierte. Eine Vergrößerung des dort angebrachten Luftbild-Ausschnitts zeigt zwölf symmetrisch angeordnete Baracken für die Häftlinge und südlich davon Funktionsbaracken sowie außerhalb des Zauns Unterkünfte für die Bewacher und daneben Deckungslöcher, ähnlich denen in der Heide. Bis vor kurzem gab es Reste der Gebäudefundamente: Sie wurden beim Aushub für das Neubaugebiet entdeckt, erzählte Lang.

Bei seinen Recherchen ist Lang auf ein Schreiben gestoßen, mit dem die Gemeinde im Landratsamt Einspruch gegen die Errichtung der 1700 Meter langen Startbahn nahe dem Ort erhoben hatte. Sie bat um die Verlegung um einen Kilometer nach Süden. Andernfalls würden "die besten Kartoffelanbauflächen vernichtet", und außerdem wäre der Ort gefährdet, wenn die nahe Rollbahn zum Ziel von Angriffen würde. Die Rollbahn ist nie fertig geworden. Auf der Luftaufnahme ist nur ein etwa 350 Meter langer teils befestigter Erdstreifen zu erkennen. Der weitere Verlauf war bereits abgesteckt, als die Amerikaner Neufahrn besetzten. Die Häftlinge haben den Ort bald verlassen - nur der Lagerälteste, Josef von der Bank, ist geblieben. Er gründete in Neufahrn eine Familie und war Gründungsmitglied des FC Neufahrn. Ein altes Foto zeigt den "Jupp" zusammen mit der Fußballmannschaft. 1977 ist von der Bank gestorben, er wurde auf dem Neufahrner Friedhof beerdigt.

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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