Kuriose Aufräumaktion:Der Räuber ist der Gendarm

Lesezeit: 2 min

Vom Bahnhof zum Bauhof: Die von Stadt und Polizei einkassierten, vermeintlich herrenlosen Räder. (Foto: Privat)

Polizei und Stadt sammeln vermeintlich herrenlose Schrotträder ein. Doch einige davon sind noch in Gebrauch. "Diebstahl", sagen die Besitzer.

Von Laura Dahmer, Freising

Ratlos stehen Anne Kress und ihr Kollege Sebastian Baum am Mittwoch am Bahnhof: Ihre Fahrräder sind weg. Geklaut worden? Beide am selben Tag? Das erscheint den beiden merkwürdig. Also wird herumtelefoniert, ein paar Anrufe später sind die Mitarbeiter der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) schlauer. Tatsächlich wurden ihre Fahrräder mitgenommen. Überraschend allerdings, von wem: Die Stadt Freising war's.

Was die wohl dazu sagt? "Ja, es gab am Dienstag eine angekündigte Aktion, bei der herrenlose Fahrräder vom Bahnhof entfernt wurden. Ich kann aber garantieren, dass das ganz sicher alles Schrotträder waren." Ganz sicher ist man sich also bei der Pressestelle der Stadt Freising. Als Schrott möchten Kress und Baum ihre Räder nicht bezeichnen, als herrenlos erst recht nicht. Täglich fahren die beiden, wie viele andere auch, mit dem Fahrrad zum Bahnhof. Sie stellen es unter dem dafür vorgesehen Dach ab, schließen es an und steigen in die Bahn. Doch der Bauhof sammelte am Dienstag ihre Drahtesel ein, die Polizei war dabei, um sicherzustellen, dass keine als gestohlen gemeldeten Räder darunter waren. Bei Kress wurde sogar das Fahrradschloss aufgeknipst - weil sie es brav am Fahrradständer festgemacht hatte. "Nach geltendem Recht nennt man das Diebstahl", gibt die Professorin für Windenergie zu bedenken.

Das gleiche Schicksal ereilte mehr als 200 andere Räder - auch von denen nicht alle herrenloser Schrott. "Bei der Polizei versuchte man am Mittwoch genervt, mich abzuwimmeln. Ich war wohl schon der Dritte, der an dem Tag anrief", erzählt Sebastian Baum, Dozent für nachhaltige Agrar-Energiesysteme an der HSWT. Bei der Stadt hat man sich inzwischen umgehört: Fünf Personen wurden nach der Aktion beim Bauhof vorstellig, um ihr Rad zurückzuholen. Fünf von mehr als 200, das sei eine gute Quote, findet Pressesprecherin Christl Steinhart und lobt die Aktion. Entschuldigen will man sich bei den Fünf natürlich trotzdem für die Umstände.

Irritiert hat Baum bei allen Gesprächen, die er an diesem Morgen mit Stadt und Polizei führte: "Beide Seiten haben versucht, sich den Schwarzen Peter zuzuschieben." Bei der Stadt habe man ihm gesagt, man habe die Aktion zwar geplant, die Polizei aber führe sie aus und entscheide. Bei der Polizei habe man ihm gesagt, man führe aus, das Ganze sei aber bei der Stadt schlecht organisiert worden.

Bei einer Sache bleiben sich Stadt und Polizei wohl einig: Die erbeuteten Fahrräder waren, ganz sicher, allesamt Schrotträder. Oder fast alle halt. Auf dem Bauhof in Tuching, auf dem Kress und Baum ihre Lieblinge wiederfanden, sagte man ihnen, sie könnten, wenn sie wollten, gleich drei oder vier Räder mitnehmen. "Als würden die niemandem gehören. Wir waren überrascht, wie gut viele noch in Schuss waren", bemerkt Baum. Kriterien, nach denen die Räder aussortiert wurden, konnte man ihm bei der Polizei nicht geben: "Die, die eben alt und unbenutzt aussehen, hatte man mir gesagt. Ich glaube, dem Polizisten ist auch klar geworden, dass sie da Fehler gemacht haben, und es war ihm eher unangenehm." Ob dieser Polizist im Anschluss an das Gespräch den Fahrraddiebstahl im großen Stile wohl zur (Selbst-)Anzeige gebracht hat?

© SZ vom 01.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: