Süddeutsche Zeitung

Kundgebung in Freising:"Nur Klatschen reicht nicht"

Etwa 100 Mitarbeiter des Klinikums, des Landratsamts und der Stadtwerke fordern bei Warnstreik faire Löhne

Von Corinna Bail, Freising

Der Tarifstreit im öffentlichen Dienst geht weiter. Kurz vor der dritten Verhandlungsrunde sind am Montag in Freising etwa 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Klinikums, des Landratsamtes und der Stadtwerke dem Streikaufruf der Gewerkschaft Verdi gefolgt. Sie bezogen gemeinsam Stellung gegen niedrige Löhne und personelle Unterbesetzung.

Mit der Kundgebung im Hof des Landratsamtes schlossen sich die Freisinger den bayernweiten Warnstreiks an. Christian Reischl, Verdi-Gewerkschaftssekretär für den Bereich Gesundheit und Soziales, informierte die Streikenden über das Angebot der Arbeitgeberseite in den Tarifverhandlungen vom vergangenen Freitag: Es sieht eine Laufzeit von 36 Monaten vor, wobei in den ersten sechs Monaten keine Lohnerhöhung erfolgen soll. Von März 2021 an würden die Entgelte um 1,0 Prozent, im Jahr darauf um weitere 1,0 Prozent erhöht. 2023 sollte dann ein Anstieg um 1,5 Prozent erfolgen. "Das Angebot ist schlicht und einfach eine Frechheit", kritisierte Reischl. In Kombination mit der wachsenden Inflation würde dies sogar einen Lohnverlust für den öffentlichen Dienst bedeuten. Die Gewerkschaften forderten deshalb bei einer einjährigen Laufzeit ein Lohnplus von 4,8 Prozent, mindestens aber 150 Euro mehr im Monat.

"Nur Klatschen während Corona reicht nicht", meinte auch Manfred Rinke-Ludwig. Der gelernte Intensivpfleger und Betriebsratsvorsitzende des Klinikums Freising berichtete von einer schnelleren Arbeitstaktung, wirtschaftlichen Zwängen und fehlendem Personal. Die aktuellen beruflichen Rahmenbedingungen seien unattraktiv für potenzielle Auszubildende, die geburtenstarken Jahrgänge der Vergangenheit würden bald in Ruhestand gehen. Ein baldiges Ende des Personalmangels sei deshalb unabdingbar, betont auch Carolin Hofer, Personalratsvorsitzende des Landratsamts.

Noch in dieser Woche, am 22. und 23. Oktober, findet die dritte Verhandlungsrunde im Tarifstreit des öffentlichen Dienstes statt. Sollte es danach noch immer keine Einigung geben, schließt Reischl eine sogenannte Schlichtung nicht aus, bei der jeweils ein ernannter Schlichter pro Seite eine persönliche Empfehlung abgibt und ein Kompromissvorschlag vereinbart wird. Bei diesem Verfahren hätten die Gewerkschaften in diesem Jahr gute Chancen auf Durchsetzung ihrer Forderungen, so Reischl.

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Quelle:
SZ vom 20.10.2020
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