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Kultur statt Politik :Reif für die Wörth-Insel

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Die Freisinger Mitte verzichtet auch in diesem Jahr auf Aschermittwochsreden und widmet sich stattdessen einem Teil der Stadtgeschichte. Unter anderem geht es um die einstige Porzellanmanufaktur Hauber & Reuther, die 1882 immerhin 30 Menschen beschäftigt hat

Von Birgit Goormann-Prugger, Freising

Traditionell hat sich die Freisinger Mitte (FSM) als Alternative zum Politischen Aschermittwoch auch in diesem Jahr einem Kapitel der Freisinger Stadtgeschichte gewidmet. Nach Führungen im Fürstengang und im Mariendom hat diesmal Katrin Stockheim von der FSM vor dem Aschermittwochs-Gottesdienst in der Christi-Himmelfahrtskirche einen abendlichen Rundgang durch den Wörth vorbereitet. Das Motto: "Am Wörth - Eine Insel in der Stadt!"

Dass dieses Areal am Fuß des Dombergs in Freising tatsächlich eine Insel ist, erläuterte Stockheim der tapferen Gruppe, die ihr an diesem eisigen Abend 45 Minuten lang gefolgt war, zum Schluss ihrer Führung. Das ergebe sich aus dem Namen Wörth. Ein Begriff, der aus dem Althochdeutschen kommt und von "Werth" oder "Der Werder" abgeleitet werden kann. Das wiederum ist eine topografische Bezeichnung. Sie wird für Inseln gebraucht, die zwischen Flüssen oder stehenden Gewässern liegen, was im Falle des Wörth ja zutrifft. Ihn umgeben die Arme der Moosach und der Schleifermoosach.

Was viele nicht wissen: Früher zog sich sozusagen eine der Hauptverkehrsadern in Richtung Freisinger Altstadt durch den Wörth, nämlich durch das kleine Münchner Tor, auch Münchner Törl genannt, das etwa auf Höhe des heutigen Parkhauses am Wörth stand. 1810 wurde es abgerissen. Die Bahnhofstraße, jetzt Zugang in die Altstadt, gab es in ihren heutigen Ausmaßen früher noch nicht und dort, wo sich heute der Roider-Jackl-Brunnen befindet, stand einst die "Weichselbaum-Wirtschaft".

Der Zugang in die Altstadt war früher für die Allgemeinheit versperrt durch das Fürstentor, das Bischof Sixtus von Tanneberg Ende des 15. Jahrhunderts errichten ließ, um einen eigenen Zugang zum Domberg zu haben. Doch als 1858 der Freisinger Bahnhof eröffnet wurde, zog es schon damals immer mehr Menschen nach Freising und das Fürstentor wurde 1878 abgerissen, um Platz zu schaffen für den Verkehr. Handwerker und Kleinbauern hätten sich am Wörth niedergelassen, berichtete Kathrin Stockheim weiter, aber auch ein weltweit tätiges Unternehmen: die Porzellanmanufaktur Hauber & Reuther in dem Gebäude, das heute noch am Wörth 28 zu finden ist. 1882 zählte das Unternehmen immerhin 30 Beschäftigte.

Einer der Mitbegründer, Max Borho aus dem Westerwald, brachte das technische Know-How mit. Er gründete die Fabrik 1875/76 zusammen mit Adam Schön, der einige Jahre zuvor in Freising Fuß gefasst und am Wörth ein Anwesen von etwa 700 Quadratmetern Größe erworben hatte. 1876 verließ Borho die Firma. Für ihn kam Albert Hauber aus Ludwigsburg. Bis nach Übersee, so Katrin Stockheim, sei die Porzellanware aus Freising geliefert worden. Doch gerade seine Lage am Wörth brachte das Unternehmen in Schwierigkeiten. Bei dem großen Hochwasser von 1899, ein Jahrhunderthochwasser, wurden weite Bereiche der Fabrik überschwemmt und auch viele Maschinen zerstört. 1906 wurde das Unternehmen geschlossen.

Von Nutzen war das Wasser am Wörth im ehemaligen Stadtbrunnenhaus. Auch dorthin hatte Stockheim die Gruppe geführt. Mit Pumpen, die von einem Mühlrad in der Moosach angetrieben wurden, war dort Grundwasser nach oben befördert worden. Damit hatte die Stadt die Anlieger an der Hauptstraße versorgt. Allerdings nicht immer zuverlässig, so Katrin Stockheim. Es habe viele Beschwerden der Kunden geben, weil der Wasserdruck und die Menge nicht ausgereicht hätten. Zudem hätten so manche Anlieger der Hauptstraße die Leitung auch verbotenerweise angezapft. Jetzt steht das frühere Stadtbrunnenhaus, in dem nach 1888 auch das städtische Eichamt untergebracht war, unter Denkmalschutz.

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SZ vom 16.02.2018
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