Kultkneipe "Abseits":Kleines Kulturzentrum, großes Wagnis

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Die Natur hat sich das "Abseits" schon fast wieder zurückerobert. Ob das irgendwann auch den Abseits-Fans gelingt, bleibt weiterhin ungewiss. (Foto: Marco Einfeldt)

Ein Kulturzentrum in attraktiver Lage mit hoher Akzeptanz bei der Bevölkerung. Die Gutachter sehen durchaus die Stärken und Chancen des "Abseits"-Projektes. Doch an eine Finanzierbarkeit glauben sie nicht.

Von Kerstin Vogel, Freising

Dass der Finanzausschuss des Stadtrats am Montag nicht endgültig über die Zukunft der ehemaligen Musikkneipe "Abseits" entscheiden würde, hatte sich schon kurz nach dem Beginn der Debatte abgezeichnet. Der von Reinhard Fiedler (FSM) gestellte Vertagungsantrag war offenbar von Grünen und Freisinger Mitte vorher mit dem Abseits-Verein abgesprochen worden. Wäre es nach der Stadtverwaltung gegangen, hätte der zur Diskussion stehende Kauf der Immobilie am Herrenweg durch die Stadt in dieser Sitzung beerdigt werden müssen - auf der Grundlage des dazu vorgelegten Gutachtens der Firma Hogarat wollte die Mehrheit im Ausschuss das aber doch nicht tun.

Das Gutachten, das der SZ inzwischen vorliegt, rät klar von der Durchführung des Projekts in der geplanten Form ab. Dabei gehe die Expertise aber "in entscheidenden Punkten an der Fragestellung vorbei", fasste Grünen-Stadtrat Sebastian Habermeyer die Kritik zusammen - und tatsächlich erwarten die Hogarat-Experten, dass die Immobilie nach dem Kauf generalsaniert werden muss; für bis zu vier Millionen Euro. Der Abseits-Verein rechnet in seinem Finanzierungskonzept dagegen lediglich mit 850 000 Euro an "normalen" Sanierungskosten. In dem Gutachten seien also "Äpfel mit Birnen" verglichen worden, so Habermeyer, der außerdem kritisierte, dass mit den Mitgliedern des Abseits-Vereins "kein einziges Gespräch geführt wurde, um Probleme zu lösen".

"Wir brauchen Erkenntnisse"

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(Foto: Marco Einfeldt)

"Es ist rausgekommen, dass bei dem Gutachten noch Klärungsbedarf besteht. Vielleicht bringt die Zeit bis September neue Erkenntnisse. Und der Abseits-Verein trägt vielleicht dazu bei, Zahlen zu konkretisieren. Der Verein rechnet derzeit mit einem nötigen Kredit von 600 000 Euro. Die Stadt darf aber nicht für die Kreditleistung eines privaten Projekts haften. Bei einem solchen Gebäude würde die Stadt eigentlich generalsanieren. Das ist auch beim Alten Gefängnis als notwendig angesehen worden. Die Stadt hätte es selbst nicht so sanieren können, wie es dann in Eigenleistung geschehen ist." zim Tobias Eschenbacher (39) ist seit fünf Jahren Oberbürgermeister (Freisinger Mitte) von Freising und hält die Entscheidung über das Abseits für eine der schwierigsten seiner Amtszeit.

"Wir müssen reden"

"Die Stadt und der Verein müssen sich jetzt endlich an einen Tisch setzen und reden. Das gab es bisher noch gar nicht. Dass die Entscheidung noch mal verschoben wurde, ist der richtige Weg: Bei einem Gutachten, das von einer drei Millionen teureren Generalsanierung - und nicht wie uns geplant - von einer Zwischensanierung ausgeht, konnte der Stadtrat nicht zustimmen. Bei der finanziellen Eigenleistung sehe ich kein Problem, ein Risiko gibt es aber immer. Die von Reinhard Fiedler angesprochenen möglichen Risikofaktoren in der Bausubstanz versuchen wir nun zu eruieren und aus dem Weg zu räumen." zim Norbert Bürger (49) ist Vorsitzender des 250 Mitglieder großen Abseits-Vereins. Der Freisinger Musiker und Comedian kämpft für den Erhalt von Kneipe und Kulturzentrum am Herrenweg.

"Kein Geld verschwenden"

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(Foto: Marco Einfeldt)

"Ich finde das Abseits-Projekt nicht direkt vergleichbar mit dem Alten Gefängnis. Das Gefängnis war schon Eigentum der Stadt, die 40 Jahre lang nichts damit anzufangen wusste. Hier muss die Stadt erst einmal für den Kauf aufkommen. Allerdings würde auch nichts verloren gehen, wenn es mit der Kneipe nicht klappen sollte. Die Immobilie stellt ja etwas dar. Wenn das Abseits ähnlich engagierte Leute wie das Alte Gefängnis hat, halte ich es aber auf jeden Fall für machbar. Nur sollte man ausschließlich in direkte Arbeiten investieren, kein Geld an Projektmanager verschwenden und weiterhin Mitglieder werben." zim Thomas Mücke (65) ist Vorsitzender des 400 Mitglieder großen Fördervereins Altes Gefängnis Freising, betrieb Fundraising und arbeitete zwei Jahre lang selbst auf der Gefängnis-Baustelle mit.

Zwar werden in dem Hogarat-Gutachten durchaus auch Stärken und Chancen des Projektes erfasst, darunter die neue Nutzung des denkmalgeschützten Areals "in attraktiver Lage", das große Engagement des Projektteams und der Vereinsmitglieder sowie eine möglicherweise "hohe Akzeptanz" des Nutzungskonzepts bei der Freisinger Bevölkerung. Das Kulturzentrum könne zu einer Anlaufstelle für ambitionierte Nachwuchskünstler werden, der Kneipenbetrieb zu einem "Treffpunkt für Anwohner aus Neustift und zur beliebten Ausgeh-Location für Studenten und junge Leute", räumen die Gutachter ein.

Das Gutachten stellt auch die vom Verein in Aussicht gestellten Eigenleistungen in Frage

Trotzdem überwiegen für die Hogarat-Experten Schwächen und Risiken des Konzepts. Ausgehend von der teuren Generalsanierung, halten sie das Projekt unter wirtschaftlichen Gründen für nicht realisierbar. Das Kulturzentrum könne nicht kostendeckend betrieben werden, deshalb sei der vereinbarte Erbbauzins möglicherweise nicht zu erwirtschaften. Es sei nicht sicher, ob eine Sanierung überhaupt sinnvoll ist, die geplanten Nutzungsbereiche Kultur, Gastronomie und Wohnen seien nicht sauber zu trennen und würden daher hohes Konfliktpotential bergen. Bezweifelt wird von den Gutachtern außerdem, dass leicht ein geeigneter Pächter für die Gastronomie gefunden werden kann - und zu Habermeyers großer Empörung werden sogar die vom Verein in Aussicht gestellten Eigenleistungen der Vereinsmitglieder in Frage gestellt. "Da kommt einem wirklich die Galle hoch", so Habermeyer: "Man kann mit so einem Gutachten auch alles kaputt machen."

Lohnt sich der Kauf des Gebäudes am Herrenweg 1 für die Stadt Freising oder ist das Risiko zu hoch? Die Stadträte sind sich uneins. (Foto: Marco Einfeldt)

Dass das nun noch nicht geschehen ist, ist den Ausschussmitgliedern zu verdanken, die sich Fiedlers Vertagungsantrag anschlossen. Damit ist jetzt der Weg für weitere Gespräche frei, die Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher für September in Aussicht stellte. Gegen eine weitere Verhandlungsrunde hatten sich am Montag einzig die CSU-Stadträte Peter Geiger und Rudi Schwaiger ausgesprochen. Zwar äußerten sie ebenfalls Sympathien für das Engagement der Vereinsmitglieder, wollten ihnen mit einer neuerlichen Vertagung jedoch keine Hoffnung machen. Geiger: "Manchmal ist ein Ende mit Schrecken besser." Schwaiger nannte die Risiken des Projektes so hoch, "dass man sie nicht eingehen darf" und sagte warnend an den Vereinsvorsitzenden Norbert Bürger gerichtet: "Ich glaube auch nicht, dass sie als Vorstand willens sind, dieses Risiko zu tragen." Genau andersherum argumentierte Guido Hoyer (Linke), der dem Vertagungsantrag zwar zustimmte, aber auch einfach für den Kauf des Gebäudes gestimmt hätte. "Ich sehe mittel- und langfristig überhaupt keine Tragik darin, wenn der Stadt im Besitz dieser Immobilie wäre", sagte er: "Eine solche Investition lohnt sich."

© SZ vom 26.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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