Kreisgeschäftsführerin der Caritas:"Die Politik liefert leider oft nur Worthülsen"

Kreisgeschäftsführerin der Caritas: Viel Zeit hat die Caritas-Geschäftsführerin Carolin Dümer nicht, ihre Tage sind durchgetaktet. Hier spricht sie mit der Rentabel-Mitarbeiterin Manuela Bichlmeier.

Viel Zeit hat die Caritas-Geschäftsführerin Carolin Dümer nicht, ihre Tage sind durchgetaktet. Hier spricht sie mit der Rentabel-Mitarbeiterin Manuela Bichlmeier.

(Foto: Marco Einfeldt)

Carolin Dümer erklärt, warum und wie Berufe im sozialen Bereich aufgewertet werden müssen. Für 2018 wünscht sie sich einen Weg, um die Zukunft von "Rentabel" zu sichern

Interview von Gudrun Regelein, Freising

Die Kreisgeschäftsführerin der Caritas Freising bewegen viele Themen: der Kampf um das Weiterbestehen von Rentabel beispielsweise, der massive Fachkräftemangel im sozialen Bereich oder die Betreuung von Flüchtlingen. Viel Zeit hat Carolin Dümer nicht, ihre Tage sind durchgetaktet. Sie bittet gleich um 8 Uhr morgens zum Gespräch, in dem sie schildert, weshalb es immer schwieriger wird, die wachsenden Aufgaben der Caritas - in einem eigentlich wohlhabenden Landkreis - zu erfüllen.

SZ Freising: Die Schere zwischen Arm und Reich im Landkreis öffnet sich immer mehr. Davor warnen die Wohlfahrtsverbände seit Jahren. Was passiert konkret?

Carolin Dümer: Wir Wohlfahrtsverbände sind die Lobbyisten dieser Menschen. Unsere Aufgabe ist es, am Puls der Zeit zu sein, Bedarf zu erkennen und darauf zu reagieren. Wir bauen soziale Angebote auf und passen sie den Bedürfnissen der Menschen an. Wir unterstützen sie - beispielsweise bei der Beantragung sozialer Leistungen, in der Schuldnerberatung oder mit unserem Angebot im Gebrauchtwarenladen Rentabel.

Stichpunkt Rentabel: Nach wie vor ist ungewiss, wie es mit dem Beschäftigungs- und Qualifizierungsbetrieb weitergehen wird...

Leider ja. Wir haben noch immer keine langfristige und gesicherte Finanzierung für dieses für uns und den Landkreis so wichtige Projekt. Alle Versuche in den vergangenen zwei Jahren andere Geldquellen zu finden - seien es Zuschüsse oder Förderungen - sind leider gescheitert. Wir werden noch im kommenden Jahr vom Landkreis mit 65 000 Euro bezuschusst. Wie es danach weitergeht, ist noch vollkommen offen. Der Kampf ums Überleben geht weiter.

Fühlen Sie sich nicht manchmal wie Don Quijote im Kampf gegen Windmühlen?

Das ist das Geschäft - es gehört dazu, sich einzusetzen. Und der Verteilungskuchen ist leider endlich. Nur ein Teil des Geldes fließt in den sozialen Bereich. Aber natürlich bemühen wir uns, ein möglichst großes Stück davon zu bekommen. Wir haben viele Mitstreiter und im Landkreis wird auch von Seiten der Politik versucht zu realisieren, was möglich ist. Unterstützung ist auf jeden Fall da.

Was ist derzeit ihr größtes Sorgenkind?

Es ist der Fachkräftemangel, der mir sehr große Sorgen bereitet. Der betrifft mittlerweile alle Bereiche und geht von den Hilfskräften bis hin zu den studierten Berufen. Der Stellenmarkt ist komplett leer, wir suchen immer öfter vergeblich Personal.

Ist der soziale Bereich so unattraktiv? Oder was ist der Grund für diesen Personalmangel?

Zum einen ist der soziale Bereich in den vergangenen Jahren extrem gewachsen. Zum anderen ist weder die Bezahlung noch die Attraktivität dieser Berufe besonders hoch. Dazu kommen oft hohe Anforderungen, der hohe Zeitdruck in der Pflege beispielsweise oder auch die Massivität der Probleme der Klienten. All das wirkt abschreckend. Kräfte, die zu uns kommen, haben häufig keine Erfahrung. Letztendlich schmälert das die Qualität unserer Angebote - beziehungsweise müssen wir sogar Angebote streichen. Wenn wir beispielsweise für die Ganztagsbetreuung an der Wirtschaftschule, die wir betreuen, keine pädagogische Fachkräfte finden, ist dieses Projekt gefährdet.

Wo sehen Sie eine Lösung?

Ich denke, unsere Gesellschaft ist sich noch nicht bewusst, wie gravierend dieses Problem ist - gerade im Bereich der Pflege und angesichts der wachsenden Zahl an immer älter werdenden Menschen. Die Politik liefert leider oft nur leere Worthülsen. Berufe im sozialen Bereich müssten einen anderen Status bekommen - und sie müssten besser bezahlt werden. Wenn der Beitrag in die Pflegeversicherung und der Eigenanteil erhöht würden, könnte man das finanzieren. Allerdings fürchte ich, dass es das unserer Gesellschaft momentan noch nicht wert ist.

Als die Flüchtlinge in den Landkreis kamen: Haben auch Sie damals geglaubt, dass wir es schaffen können?

Ich dachte mir, dass wir es schaffen müssen. Es ist unser Auftrag als Caritas, uns um diese Menschen zu kümmern, Menschenliebe zu zeigen. Die katholische und auch die evangelische Kirche: beide haben sich sofort mit viel Geld engagiert. Aber ja, es war für uns eine große Herausforderung und das Thema Asyl hat zeitweise unsere Arbeit dominiert.

Wie ist die Situation heute?

Es verändert sich viel, die Aufgaben sind andere geworden. Jetzt geht es um die Integration. Es wird ab dem kommenden Jahr keine getrennte Asyl- und Migrationsberatung mehr geben, sondern eine Integrationsberatung. Ich denke, dass wir das mit unseren Kapazitäten leisten können. Was für uns als Caritas eher problematisch ist, sind die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge. Wir haben viel in Einrichtungen und Personal investiert - jetzt stagniert dieser Bereich. Wir haben keine Belegung mehr. Die Steuerung ist anspruchsvoll: auf einmal kamen sehr viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zu uns, jetzt ist die Welle abgeebbt.

Haben Sie den Eindruck, dass die Bereitschaft, sich für hilfebedürftige Menschen zu engagieren, abnimmt?

Das glaube ich nicht. Zwar sind die Einnahmen aus dem Sammlungsbereich zurückgegangen. Aber das liegt eher daran, dass Haussammlungen, das Klingeln an der Tür, nicht mehr zeitgemäß sind. Wenn es Katastrophen gibt, wird gespendet. Projektbezogen sind Menschen bereit, etwas zu geben.

In einigen Tagen startet die Süddeutsche Zeitung wieder ihren "Adventskalender für gute Werke". Profitieren Sie davon?

Sehr. Wir können dieses Geld eins zu eins an unsere Klienten weitergeben. Manchmal sind es nur kleine Beträge, 50 Euro, die aber eine riesige Lücke füllen. Für uns sind solche Aktionen sehr wichtig und sind uns sehr viel wert. Wir können damit Menschen helfen.

Und Ihr persönlicher Wunsch für das kommende Jahr?

Ich würde mir wünschen, dass wir einen schnellen und unkomplizierten Weg finden, die Zukunft von Rentabel zu sichern.

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