Süddeutsche Zeitung

Kranzberg begeht Jubiläum bei Städtepartnerschaft:Cancan auf dem Biertisch

Zwischen Kranzberg und Dun-sur-Meuse besteht nun schon seit 50 Jahren eine Partnerschaft. Zuletzt sind die Besuche weniger geworden. Jetzt hofft man, dass wieder Schwung in die Beziehung kommt

Von Petra Schnirch, Kranzberg

Seit 50 Jahren besteht die Partnerschaft zwischen Kranzberg und Dun-sur-Meuse nun schon. Im Landkreis kommt der kleinen Ampertalgemeinde damit eine Vorreiterrolle zu, was die Kontaktpflege mit einer französischen Partnergemeinde angeht. Doch ausgerechnet dieses beachtliche Jubiläum kann wegen der Pandemie nicht richtig gefeiert werden. Am Samstag, 1. Mai, werden Bürgermeister Hermann Hammerl und Alfons Berger, Vorsitzender des Partnerschaftsvereins, um 11 Uhr am Dun-sur-Meuse-Platz zumindest eine Tafel enthüllen, ganz ohne festliches Beiwerk.

Das Besondere an der Partnerschaft: Sie war durch persönliche Kontakte aus dem Kreis der Bürger heraus entstanden - mit einer Kommune aus einer Region, die wie kaum eine andere für die Gräuel des Krieges und den Tiefpunkt der deutsch-französischen Beziehungen steht. Verdun ist nur etwa 35 Kilometer entfernt. 1914 waren Teile der Stadt Dun bei Kämpfen um die Maas-Übergänge zerstört worden.

Der damalige Lehrer Helmut Vierthaler aus Kranzberg engagierte sich für den Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge und leitete von 1968 bis 1970 in den Sommerferien Jugendlager im Tal der Meuse. Eine der zentralen Aufgaben der Gruppen war die Pflege von deutschen Soldatenfriedhöfen. Als 1969 Arbeiten auf dem Friedhof von Epinonville auf dem Programm standen und die Jugendlichen in der nahe gelegenen alten Schule von Dun untergebracht waren, lernte Vierthaler Bürgermeister Henri Willaime kennen. In ihren Gesprächen keimte schnell die Idee einer Partnerschaft.

Wieder zurück in Kranzberg, informierte Vierthaler den Kranzberger Bürgermeister Korbinian Eisen. Wenig später diskutierte der Gemeinderat über das Thema, im Frühjahr 1970 ging bereits eine Einladung zum gegenseitigen Kennenlernen nach Dun. Ende August kam Willaime dann mit einigen Stadträten und Lehrern in den Landkreis Freising, der Gegenbesuch folgte im Oktober. Es waren nachhaltige Begegnungen: Am 1. Mai 1971 fand die Gründungsfeier in Kranzberg statt, am 21. Juni machte sich eine 20-köpfige Delegation auf den Weg von Bayern nach Lothringen.

Die Chemie stimmte offenkundig, auch wenn es "vereinzelt", wie Gemeindearchivar Alfons Berger sagt, Ressentiments zu überwinden galt. In einem SZ-Bericht vom 9. Juni 1995 heißt es dazu: "Als die Partnerschaft im Jahr 1971 gegründet wurde, waren es Willaime und Eisen, die als Bürgermeister einige Widerstände und Vorurteile in ihren Orten beseitigen mussten, ehe die Freundschaft offiziell geschlossen werden konnte. Sie ahnten jedoch bereits damals, dass die Partnerschaft länger währen würde als die Ressentiments. Auch der letzte Nörgler konnte inzwischen überzeugt werden." Am 3. März 1972 gründeten 39 Kranzberger den Partnerschaftsverein, seit mittlerweile 25 Jahren hat Alfons Berger den Vorsitz inne, in diesem Jahr will er ihn abgeben.

Bedenken hatte es in Dun-sur-Meuse offenbar vor allem von Veteranen gegeben, die noch den Stellungskampf im Ersten Weltkrieg um Verdun miterlebt hatten. Beide Alt-Bürgermeister empfänden es als positiv, heißt es in dem Zeitungsbericht von 1995 weiter, dass die Partnerschaft auf Grundlage der Kriegsgräberpflege eingegangen worden sei. Denn, so wird Eisen damals zitiert: "Gefallene mahnen immer zur Versöhnung".

Die Gäste wussten gemeinsam mit den Kranzbergern zu feiern, auf dem Freisinger Volksfest tanzten sie 1978 Cancan auf dem Biertisch. In ernsten Gesprächen ging es aber immer wieder auch um die deutsch-französische Vergangenheit. Ein Jahr zuvor, im Juli 1977, war Henri Willaime in Dun-sur-Meuse von seinem Nachfolger der Titel Ehrenbürgermeister verliehen worden - auch für seine Verdienste um die Partnerschaft. In seiner Dankesrede betonte er, dass die Einwohner beider Gemeinden entschlossen seien, in Achtung und Verständnis diese Partnerschaft weiter zu verwirklichen. "Der Geist der Rache ist zum Schweigen gebracht worden", sagte er. Was aus heutiger Sicht sehr pathetisch klingt, war damals Ausdruck einer gelungenen Annäherung.

Vor allem in den ersten beiden Jahrzehnten florierte die Partnerschaft. Etwa 1750 Jugendliche und Erwachsene aus beiden Gemeinden haben in den vergangenen 50 Jahren an Begegnungen teilgenommen und einander kennengelernt, wie Alfons Berger bilanziert. "Ein wichtiger Beitrag zur Verständigung und Zusammenhalt für ein vereintes und friedvolles Europa." Ein regelmäßiger Jugendaustausch mit jeweils etwa 40 jungen Leuten zählte zu den Eckpfeilern der Partnerschaft.

Zwischendurch gab es immer wieder schwierige Phasen zu überwinden, in den vergangenen Jahren sind die gegenseitigen Besuche weniger, die Delegationen kleiner geworden. Alfons Berger war zuletzt 2019 in Dun-sur-Meuse und er hofft, dass wieder neuer Schwung in die Partnerschaft kommt.

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SZ vom 30.04.2021
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