Süddeutsche Zeitung

Konzertkritik:Mit ELO in die Vergangenheit

"Electric Light Orchestra performed by Phil Bates & Band & Berlin String Ensemble" lassen beim Konzert auf dem Uferlos-Festival den elektronischen Musik-Kosmos der 1970er und -80er Jahre wieder lebendig werden.

Von Maximilian Gerl, Freising

Der Himmel ist blau an diesem Samstag, so wunderbar blau. Es ist das letzte Wochenende des Uferlos-Festivals. Zwischen den Ständen schlendern Schaulustige, die Biertische sind voll besetzt, es duftet nach gutem Essen, aus den offenen Zelten tönt Musik. Ein Künstler schnitzt surreale Statuen aus großen Ästen. Ein Wortakrobat träumt am Mikro von einer Welt, in der faule Bäume hartzen und Bienen Sex anhand von Menschen erklären. Man könnte sagen: Alles wie immer. Nur in der Luitpoldhalle ist es alles anders. Dort sind gerade die alten Zeiten auferstanden.

Phil Bates hat die ersten zwei Lieder gespielt, jetzt hält er kurz inne. "Ich glaube, wir sind zum ersten Mal hier", sagt er, auf Englisch natürlich, er ist ja Engländer. Bates grinst im Scheinwerferlicht: "Es ist schön hier." Dann reißt er die Arme in die Höhe und beginnt rhythmisch zu klatschen, das Publikum auch, Bates Kollegen setzen mit den Instrumenten ein, Jubel brandet auf. Aus den Boxen ertönt "Evil Woman".

Die Menschen erkennen die Melodie, wegen ihr sind sie an diesem Abend gekommen. Natürlich wollen sie Bates sehen. Noch mehr aber wollen sie die Lieder hören, die er spielt, Lieder wie "Evil Woman": die besten Stücke des Electronic Light Orchestra, kurz ELO.

30 Wochen lang auf Platz eins der deutschen Charts

ELO war eine der erfolgreichsten Bands der 1970er und -80er Jahre. Sie verkaufte über 25 Millionen Tonträger mit ihrer Musik, allein das Album "Xanadu" hielt sich 30 Wochen lang auf Platz eins der deutschen Charts. Gemessen an Zeitgenossen wie AC/DC, Led Zeppelin oder Deep Purple ist ELOs Ruhm heute ein wenig verblasst. Damals aber galt die Gruppe als richtig große Nummer im Musikgeschäft, mit ihrer Mischung aus Pop, Rock und Klassik konnte sie Stadien auf der ganzen Welt füllen.

An diesem Abend muss es mit der Luitpoldhalle eine Nummer kleiner gehen. Das passt, streng genommen steht nämlich gar nicht ELO auf der Bühne. Die Original-Band hatte sich 1986 erstmals aufgelöst. 1991 entstand mit ELO Part II eine mäßig erfolgreiche Nachfolgeband, bei der Frontmann Phil Bates von 1993 bis 1999 spielte. Unter anderem wegen Rechtsstreitigkeiten löste sich ELO Part II um 2000 herum auf. Nach kurzer Auszeit beschloss Bates, wieder mit den alten ELO-Stücken auf Tour zu gehen, mit anderer Besetzung und unter anderem Namen: In Freising firmiert er laut Eintrittskarte als "Electric Light Orchestra performed by Phil Bates & Band & Berlin String Ensemble".

Dem Publikum ist es egal, dass oben auf der Bühne nur die Nachfolgeband einer Nachfolgeband steht. Sie wollen ELO-Musik. Und die Band liefert. Die Instrumente harmonieren, die Einsätze stimmen, die gute Laune der Musiker steckt an. Zu zehnt stehen sie auf der Bühne. Bates singt und spielt Gitarre, dann sind da noch zwei Keyboarder, ein Bassist, ein Schlagzeuger und fünf Streicher.

Als ELO Erfolge feierte, waren sie junge Erwachsene

Bates hat inzwischen die E-Gitarre gegen eine akustische eingetauscht. Sanftes blaues Licht umfließt ihn, als er die Ballade "Telephone Line" anstimmt. "Give me some time / I'm living in twilight", singt er. Der Altersdurchschnitt des Publikums liegt irgendwo bei 50, Pärchen schmiegen sich aneinander. Als ELO Erfolge feierte, waren sie junge Erwachsene. Mit Phil Bates kommt diese Zeit für viele noch einmal zurück: In der linken Hand ein Bier, rechts den Partner im Arm. Das Leben ist schön.

Die Musik von ELO widersetzt sich gängigen Kategorien. Zum einen steht sie in der Tradition der Beatles, zum anderen interpretiert sie klassische Elemente neu und nutzt bisweilen elektronische Klänge. Streicher gehören zu einem guten ELO-Song genauso wie mehrstimmiger Gesang, ein treibender Bass und ein in bester Rock'n'Roll-Manier klimpernder Synthesizer. Die daraus resultierende Dynamik nötigt den Musikern auf der Bühne ihr ganzes Können ab. Violinistin Susan Filep bekommt ihr Solo genauso wie der Drummer.

Das Konzert ähnelt einem Streifzug durch den ELO-Kosmos, Bates und Band lassen keine Periode aus, sogar die unter Fans umstrittene Disco-Phase der späten 1970er Jahre findet Berücksichtigung. Je länger die Reise dauert, umso größer wird die Hit-Dichte. "Mr. Blue Sky", "Livin' Thing", "Don't Bring Me down", "Roll over Beethoven" - die besten ELO-Klassiker spart sich die Band bis zum Schluss auf. Nach rund 100 Minuten ist die Reise schnell vorbei.

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SZ vom 09.05.2016/zim
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