Schon als Michael Stanglmaier (Grüne) und Josef Dollinger (Freie Wähler) am Abend des 15. März die Gewissheit hatten, die Stichwahl um das Amt des Ersten Bürgermeisters erreicht zu haben, war ihnen klar: Wahlkampf im herkömmlichen Sinne, mit Veranstaltungen, Infoständen und vielen persönlichen Kontakten zu den Wählern, würde es aufgrund der Corona-Krise in den kommenden beiden Wochen nicht geben. Die Lage hat sich seitdem noch weiter zugespitzt, das Buhlen um Wählerstimmen hat sich nun voll und ganz auf eine andere Ebene verlagert: Neben Flyern in den Briefkästen sowie diversen Anzeigen und Wahlempfehlungen in der örtlichen Presse wird der Wahlkampf vor allem online ausgetragen.
Besonders engagiert zeigen sich hier die Grünen, die sich neben einer professionell anmutenden, bunten Homepage vor allem mit einem Livestream-Format auf Youtube hervortun: der "Tea Time" mit ihrem Bürgermeisterkandidaten Michael Stanglmaier, der darin in Diskussionsrunden auch mit Vertretern anderer Parteien über unterschiedliche Schwerpunktthemen redet. Die Palette reicht vom Verkehr über die Stadtentwicklung und die Corona-Krise bis hin zum neuen, noch bunteren Stadtrat. Die Corona-Diskussionsrunde am Donnerstag wurde noch mit allen aus dem Heimstudio samt Plexiglastrennwänden zum Schutz der Teilnehmer übertragen. Über den bunten Stadtrat redeten die Diskutanten am Samstag - der Entwicklung entsprechend - schon brav per Videokonferenz, jeder von zu Hause aus.
Neben Wahlempfehlungen für Stanglmaier von eigenen Parteimitgliedern und Externen - darunter der frühere Freie-Wähler-Stadtrat Hinrich Groeneveld - auf der Grünen-Homepage bedient der Ortsverband auch die Social-Media-Kanäle wie Instagram und Facebook. Dort greifen mittlerweile auch Stadträte und Kandidaten anderer Parteien und Gruppierungen ins Geschehen ein. So trommelt auf Facebook der SPD-Fraktionsvorsitzende Gerd Beubl ebenso für Stanglmaier wie seine Parteigenossin Lena Zehetbauer.
Die Freien Wähler, deren Online-Auftritt ein wenig gediegener und gebremster daher kommt, sind ebenfalls auf Instagram und Facebook vertreten und haben sogar einen Youtubekanal, auf dem allerdings nur die Information erscheint: "Auf diesem Kanal gibt es keine Inhalte." Josef Dollinger selbst war bereits vor dem ersten Wahlgang am 15. März fleißig auf Facebook unterwegs und nutzt dieses Instrument auch zur Werbung für die entscheidendende Briefwahl-Abstimmung. Auch er hat sich Verbündete anderer Parteien ins Boot geholt, vornehmlich Vertreter der CSU, die in ihrer Ausrichtung den Freien Wählern von Haus aus nahe stehen. Zu den Unterstützern, die auf einem Flyer für Dollinger werben, gehört aber auch der langjährige und wiedergewählte SPD-Stadtrat Martin Pschorr.
Während der Wahlkampf bis zum 15. März sehr sachlich und fair abgelaufen war, wird es jetzt, da die endgültige Entscheidung naht, etwas hitziger. So verstrickten sich zwei aktuelle Stadtratsmitglieder in eine Art Stellvertreterkonflikt: Die Facebook-Empfehlung von Rudolf Heinz (CSU) für Dollinger kritisierte Evelin Altenbeck (Grüne) mit einem Kommentar, in dem sie den FW-Kandidaten als "Haudrauf" bezeichnete. An Heinz schrieb sie, ob er den neuen AfD-Stadtrat Gerhard-Michael Welter "hofieren" wolle und: "Ich dachte aus Thüringen hättet Ihr gelernt!" Heinz wiederum bezeichnete das in einer Pressemitteilung als "unverschämt" und "respektlos". Man darf gespannt sein, ob sich die Wogen im restlichen Online-Wahlkampf bis zur Entscheidung am Sonntag wieder glätten.