Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Qualifikation im Blick haben

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Eine Stadt und ihre Bewohner müssen sich auch einmal zu später Stunde vor einem Lokal unterhalten können dürfen, ohne dass gleich der Mann vom Ordnungsdienst um die Ecke kommt

Von Kerstin Vogel

Nun kommt er also, der kommunale Ordnungsdienst für die Stadt Freising. Nach jahrelangen Diskussionen hat man sich auf drei neue Stellen verständigt, um die Einhaltung kommunaler Vorschriften besser überwachen, eventuell bevorstehende Vergehen tadeln und sie möglichst verhindern zu können. Diese neuen städtischen Mitarbeiter mögen an manchen Stellen notwendig und hilfreich sein, etwa, wenn es um die Vermeidung von Vandalismus, das Unterbinden von nächtlichem Lärm oder vielleicht auch einen besseren Schutz vor aggressiven Bettlern geht.

Doch Linken-Stadtrat Guido Hoyer darf mit seinen Mahnungen sehr wohl gehört werden. Es kann weder darum gehen, hier eine Neuauflage der berüchtigten Schwarzen Sheriffs zu etablieren oder gar eine zweite Polizeitruppe aufzubauen, noch darum, künftig auch jeden noch so kleinen Verstoß gegen eine der vielen städtischen Satzungen zu verfolgen. Eine Stadt und ihre Bewohnerinnen und Bewohner müssen leben und atmen dürfen und das heißt, dass man sich auch einmal zu später Stunde vor einem Lokal unterhalten können sollte, ohne dass gleich der Mann vom Ordnungsdienst um die Ecke kommt.

Hier wird Augenmaß gefordert sein und das Fingerspitzengefühl, eine lediglich subjektiv als Störung empfundene Geräuschquelle von echter Lärmbelästigung zu unterscheiden. Gleiches gilt für die bisher doch etwas schwammig formulierte Aufgabe, gegen "auffällige Gruppenbildungen" einzuschreiten. Sind fünf Jugendliche, die an der Mariensäule sitzen, schon eine auffällige Gruppe oder gilt das erst, wenn sie zu siebt sind und Musik hören? Wenn ein Migrationshintergrund besteht? Wenn es sich um Fußballfans handelt - und wenn ja: Verhalten die sich nicht grundsätzlich auffällig? Polizist wird man nicht umsonst in einer mehrjährigen Ausbildung. Die Stadt wird gut beraten sein, einen scharfen Blick auf die Qualifikationen der künftigen Ordnungsdienstler zu haben und ihnen möglichst genaue Vorgaben für ihren Einsatzbereich zu machen.

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Quelle:
SZ vom 29.07.2020
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