Kommentar:Müllentsorger wider Willen

Nachhaltigkeit sollte auch beim Kleiderkauf eine Rolle spielen

Von Thilo Schröder

Mit dem Wollen und dem Tun, mit Anspruch und Wirklichkeit, ist das so eine Sache. Oft klafft dazwischen eine Lücke. Sehr deutlich zeigt sich das beim Kleiderkonsum. Ja, das nachhaltige Baumwollshirt fühlt sich wunderbar flauschig an, beruhigt ganz nebenbei das Klimagewissen. Aber im Discountershop nebenan gibt's für den selben Preis gleich zwei Kleidungsstücke, flüstert einem der innere Schnäppchenjäger zu. Und schon war's das mit dem Anspruch.

Was dabei ausgeblendet wird, sind die übergeordneten Konsequenzen: ein Billigmode-Boom und dadurch produzierte Berge an Plastikmüll. Anbieter von Alt- und Gebrauchtkleidung in Freising können davon ein Lied singen. Bei ihnen landen sie zuhauf, die nur wenige Male getragenen Drei-Euro-Shirts, löchrig und ausgeleiert, zur Weiterverwendung ungeeignet. Zu Recht beklagen Vertreter der Kleidersammlungen von BRK und Caritas ein Konsumverhalten, in dem sich Klimaschutzforderungen bislang noch nicht widerzuspiegeln scheinen.

Die Kleidersammler stehen da vor einem Dilemma: Sie sind auf Spenden angewiesen, meiden daher verständlicherweise den allzu erhobenen moralischen Zeigefinger. Sie müssen aber auch zunehmend qualitativ minderwertige Billigmode entgegennehmen, fungieren also in Teilen als Müllentsorger wider Willen.

Dem gegenüber steht das Argument, hochwertige und nachhaltige Mode sei überteuert, der Ottonormalverbraucher könne sich diese nicht leisten. Es verliert bei näherer Betrachtung jedoch an Glaubwürdigkeit. Wenn ein Baumwollshirt in Freising bereits ab zehn Euro zu haben ist, kann von Alternativlosigkeit beim Kleiderkauf keine Rede sein.

Natürlich ist hochwertige Kleidung oft teurer als jene vom Discounter - wobei teure Kleidung nicht zwangsweise hochwertig sein muss. Natürlich kann nicht so oft shoppen gehen, wer sich dafür entscheidet. Aber sie hält dafür deutlich länger, es reduzieren sich also verschleißbedingte Kleiderkäufe. Und egal ob kurz oder lange getragen: Wenn hochwertige Kleidung in der Kleiderkammer oder im Gebrauchtwarenkaufhaus abgegeben wird, landet sie dort in den meisten Fällen nicht im Müll, sondern bietet unter anderem all jenen eine attraktive Alternative, die andernfalls vielleicht zur neuwertigen Billigmode gegriffen hätten.

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