Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Es geht nicht um eine Geschäftsidee

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Alle Maßnahmen gegen die alltägliche Verschwendung können wunderbar nebeneinander funktionieren

Von Henrike Schulze-Wietis

Elf Millionen Tonnen Lebensmittel landen deutschlandweit jedes Jahr im Müll, wie das Bundeszentrum für Ernährung bekannt gibt. Neben Privathaushalten sind vor allem Supermärkte, Restaurants und Schnellimbisse daran beteiligt, in denen das Mindesthaltbarkeitsdatum der Lebensmittel und Speisen keinesfalls überschritten werden darf. Alle Maßnahmen, die gegen die daraus resultierende Wegwerfkultur vorgehen, sind sinnvoll und notwendig.

Auch Apps wie "Too Good To Go" wollen Abhilfe schaffen, doch in Freising ist diese weltweite Innovation noch nicht angelangt - und sie scheint auch keinen großen Zuspruch zu finden, wenn man den Argumenten eines Supermarktfilialleiters traut: Die Kooperation mit der App sei zu "aufwendig". Man spende lieber an die Tafel. Diese Haltung ist sinnvoll und uneigennützig, da spenden in diesem Falle auch wirklich spenden bedeutet. Allerdings betrifft das nur unverarbeitete Lebensmittel und keine angerichteten Speisen. Außerdem legt die Tafel für ihre Kunden eine Einkommensobergrenze fest. Aber was ist mit den Freisinger Studenten, die zum ersten Mal merken, wie teuer Lebensmittel sind und dass das BAföG eher für Nudeln und Terrinen, als für Sushi und Zwiebelrostbraten reicht? Warum sollten diese nicht auch die Möglichkeit bekommen, hochwertige Lebensmittel günstiger zu erhalten und gleichzeitig etwas für die Umwelt tun?

Die Angst, dass "Too Good To Go" und andere Food Sharing-Ideen der Tafel ihre Zulieferer klauen, scheint ziemlich unbegründet, wenn man sieht, wie viele Lebensmittel tatsächlich verschwendet werden. Innovationen, die dagegen arbeiten, können wunderbar nebeneinander funktionieren, denn jeder findet seine Nische. Es gibt so viele Lebensmittel auch im Landkreis Freising, dass niemand hungern muss, aber es muss auch erreicht werden, dass nichts weggeworfen werden muss. Und: es geht nicht darum, wer die beste Geschäftsidee hat, sondern darum Menschen zu helfen, das Essen zu teilen und keine Lebensmittel zu verschwenden.

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Quelle:
SZ vom 17.07.2019
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