Körperlich sehr anstrengend:Ein Tag in Luthers Welt

Körperlich sehr anstrengend: Klara und Greta (von links) vom Dom-Gymnasium geben sich alle Mühe: Das Schreiben mit Federkiel ist trotzdem eine äußerst mühsame Angelegenheit.

Klara und Greta (von links) vom Dom-Gymnasium geben sich alle Mühe: Das Schreiben mit Federkiel ist trotzdem eine äußerst mühsame Angelegenheit.

(Foto: Marco Einfeldt)

Schüler üben sich am Domberg im Bleidruck, kochen spätmittelalterlich und diskutieren den Freiheitsgedanken

Von Eva Zimmerhof, Freising

In die lombardische Suppe gehören neben Möhren und Traubensaft auch Zimt, Nelken, Thymian und Muskat. Keine Kartoffeln und keine Tomaten - die gab es zu Luthers Zeiten in Deutschland noch nicht. Hier ging es unter der Herrschaft vieler Landesherren und unter einer materialistischen Kirche, die in großem Umfang Ablasshandel betrieb, gleich in vielen Dingen ganz anders zu als heute. In jene Welt können Freisinger Schulklassen bei den Workshops des Bildungszentrums im Kardinal-Döpfner-Haus in dieser Woche eintauchen.

Besagte Gewürze etwa waren ein echtes Statussymbol. Außerdem war das "Zeig mir, was du anhast, und ich weiß, wer du bist" den Menschen im Spätmittelalter enorm wichtig. "Eine Bäuerin konnte sich nie im Leben ein Seidenkleid kaufen", sagt Workshopleiterin Magdalena Falkenhahn. Als sich aber die wirtschaftliche Situation der niederen Stände langsam verbesserte und es für die Handwerker in den Städten bergauf ging, war die Empörung in Adelskreisen natürlich groß, wenn plötzlich ihr Modegeschmack übernommen wurde. Im extra aufgebauten Stoffkontor erfahren die Schüler des Dom- und des Camerloher-Gymnasiums, dass selbst Farben eine Bedeutung hatten, aber auch der Ausgrenzung dienten. So wurden Juden diskriminiert, indem sie Gelb tragen mussten.

"Glaubt ihr, dass ihr in den Himmel kommt?" Die Schüler dürfen ehrlich antworten. In Luthers Welt war dies die alles beherrschende Frage. "Das war damals existenziell, die Sinnfrage der Menschen. Alternative Glaubensmodelle wie heute gab es einfach noch nicht", sagt Falkenhahn. So diskutieren die Schüler über Glaube und Freiheit - und eben Luthers Freiheitsbegriff. Der wiederholte Brückenschlag zur Gegenwart soll sie zum Nachdenken anregen. Dazu gehört auch das praktische Erleben von Luthers Welt. Mit Federkiel und Rußtinte Luthers erste These abschreiben: mühevoll für die Neuntklässler. Für die Mönche im Mittelalter gab es bei dieser Aufgabe jedoch kein Entrinnen. Ein Jahr brauchten sie etwa für ein einziges Buch. Die Druckplatten mit Bleibuchstaben waren daher eine echte Revolution. Aber auch ziemlich schwer. "Die Schüler sehen, dass das Arbeiten vor allem körperlich anstrengend war", sagt Kirchenhistoriker Stephan Mokry, der die Workshops mit Falkenhahn konzipiert hat. In Handarbeit setzen die Schüler Bleibuchstaben. Immerhin: Eine Flugschrift war so in wenigen Tagen gedruckt und Luthers Gegner konnten schnell auf seine Thesen reagieren und umgekehrt. Die besagte spätmittelalterliche Suppe - abgerundet mit Eiern und Käse und einem deftigem Bauernbrot - dürfen sich die Schüler zur Stärkung zwischen der körperlichen und geistig-theologischen Arbeit schmecken lassen.

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