Ein Jahr schwarz-orange Koalition:Nicht immer nur meckern

Konstituierende Sitzung des 18. Bayerischen Landtags

Vor einem Jahr, am 5. November 2018, ist der Landtag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengekommen. Ihm gehören auch drei Politiker aus dem Landkreis Freising an.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Am 5. November 2018 hat sich der neue bayerische Landtag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengefunden. Johannes Becher (Grüne) und Benno Zierer (Freie Wähler) ziehen Bilanz.

Von Laura Dahmer und Nadja Tausche, Freising

- Fast ein Jahr ist vergangen, seit der bayerische Landtag am 5. November 2018 seine konstituierende Sitzung hatte. Für die beiden Freisinger Landtagsabgeordneten Johannes Becher (Grüne) und Benno Zierer (Freie Wähler) ist das ein Anlass, um Bilanz zu ziehen. Angefragt war zu diesem Thema von der SZ auch der CSU-Landtagsabgeordnete Florian Herrmann. Doch der Leiter der Staatskanzlei wollte einer Bilanz von Ministerpräsident Markus Söder, die in der kommenden Woche geplant ist, nicht vorgreifen. Außerdem befand er sich auf einer Auslandsreise.

Benno Zierer, Freie Wähler

Seit einem Jahr regieren die Freien Wähler in einer Koalition mit der CSU. Benno Zierer ist umweltpolitischer Sprecher und Mitglied im Ausschuss für Umwelt. Er sei "zufrieden und überrascht", wie gut die Zusammenarbeit mit der CSU im Ausschuss funktioniere, sagt der Landtagsabgeordnete. Allerdings sei der Arbeitsstil ein ganz anderer als zuvor: "In der Opposition stellt man Anträge, man legt den Finger in die Wunde." Jetzt müsse man alles mit dem Koalitionspartner abstimmen, die Beschlüsse würden dann verschiedensten Stellen vorgelegt. Die Zeitspannen seien deutlich länger - das könne mühsam sein. Was die Freien Wähler in einem Jahr Koalition erreicht haben: "Wir haben beim Volksbegehren Artenvielfalt mitgearbeitet", nennt Zierer ein Beispiel. Dabei hätte er allerdings die Bedeutung der Landwirte gerne mehr herausgestellt. Auf Druck der Freien Wähler wurde außerdem die Straßenausbaubeitragssatzung (Strabs) abgeschafft. Damit müssen Bürger beim Ausbau von Straßen nicht mehr mitzahlen, Zierer bezeichnet das als "Erfolg für die Gerechtigkeit". In seinem Themengebiet, dem Umweltschutz, wurde ein Klimaschutzgesetz im Koalitionsvertrag verankert. Einen Punkt daraus kann er schon verraten: Man wolle Solarenergie fördern, es brauche mehr und bessere Fotovoltaikanlagen. Deswegen sollen die Regelungen für Anlagen auf Freiflächen gelockert und in eine bessere Speichertechnologie investiert werden. Zierer selbst findet, beim Thema Umweltschutz brauche es Zeit, alle Bevölkerungsgruppen mitzunehmen. Verbote seien nur notwendig, "wenn sonst nichts geht." Zierer lobt in dem Punkt auch die "Fridays for Future"-Bewegung: "Ohne die Freitagsdemonstrationen hätten wir das Thema sicher nicht so auf der politischen Agenda."

Ein Jahr schwarz-orange Koalition: Benno Zierer von den Freien Wählern.

Benno Zierer von den Freien Wählern.

(Foto: Marco Einfeldt)

Beim Thema dritte Startbahn hatten die Freien Wähler ordentlich Kritik einstecken müssen. Vor der Wahl hatten sie sich klar gegen den Bau ausgesprochen - in den Koalitionsverhandlungen haben sie sich dann mit der CSU auf ein Moratorium geeinigt. Fünf Jahre sollen die Planungen auf Eis liegen. Die Freien Wähler seien dabei zu schnell umgekippt, so der Vorwurf damals. Heute sagt Zierer: "Mehr war einfach nicht drin." Dass die dritte Startbahn noch kommt, glaubt er nicht: "Die Klimadiskussion arbeitet uns in die Hände." In fünf Jahren, da ist sich Zierer sicher, könne man ein solches Projekt nicht mehr durchsetzen: Man würde als Minister seine Glaubwürdigkeit verlieren. Der Flughafen sei auch derzeit Thema im Landtag: Man habe einen Antrag zur Untersuchung von Ultrafeinstaubwerten gestellt, berichtet er. Benno Zierer ist Landwirt und wohnt in Freising. Neben seiner Arbeit im Landtag sitzt er auch im Freisinger Stadtrat und im Kreistag. Für beide Gremien wird er auch bei der Kommunalwahl 2020 kandidieren. "Es ist wichtig, die kommunalpolitischen Themen in den Landtag einzubringen", findet er. Sich selbst sieht Zierer dabei als eine Art "Mittler" zwischen den Kommunen und dem Landtag.

Johannes Becher, Grüne

Er habe seine Rolle gefunden, sagt Johannes Becher. "Ich bin der Kommunalpolitiker im Landtag." Der 31-Jährige ist für die Grünen Sprecher für kommunale Fragen und frühkindliche Bildung und Mitglied in den jeweiligen Ausschüssen. In der frühkindlichen Bildung kämpft Becher dafür, dass das Geld des "Guten-Kita-Gesetzes" in die Qualität der Einrichtungen fließt und nicht in Beitragszuschüsse. Wirkliche Erfolge mit seinem Widerstand könne er noch nicht verbuchen, sagt der Grünen-Abgeordnete bedauernd. "Immerhin gibt es jetzt eine Einkommensgrenze für die Zuschüsse - auch wenn das eher daran lag, dass das Geld ausgegangen ist." Becher möchte den Nährboden dafür schaffen, dass das Thema künftig anders diskutiert wird.

Ein Jahr schwarz-orange Koalition: Johannes Becher von den Grünen.

Johannes Becher von den Grünen.

(Foto: Marco Einfeldt)

Auch wenn Oppositionsarbeit schwer ist, hat Becher nach einem Jahr trotzdem das Gefühl, dass seine Arbeit Sinn macht. "Unsere Aufgabe ist nicht, nur zu meckern, sondern eine bessere Idee vorzulegen", sagt er. In seiner Fraktion, die mit 38 Abgeordneten größer ist als je zuvor, sei konstruktive Arbeit gut möglich. "Und das, obwohl wir so vielfältig sind." Die Fraktion ist zu etwa 37 Prozent weiblich, darunter ist auch Tessa Ganserer, die erste transidente Abgeordnete in einem deutschen Landesparlament. Mit Cemal Bozoglu haben die Grünen einen erfahrenen Politiker mit Migrationshintergrund in ihren Reihen, mit Florian Siekmann den jüngsten Abgeordneten, den es in Bayern je gab. Natürlich habe man da erst mal zueinanderfinden müssen, so Becher. Mittlerweile habe jeder seinen Platz, die Arbeit sei sehr kollegial.

Ein Herzensthema Bechers ist neben der frühkindlichen Bildung und kommunalen Fragen der Flughafen. "Jetzt gibt es einen neuen Chef am Flughafen, der sich gleich mal als Fan der Startbahn geäußert hat", sagt Becher. "Das Baurecht ist da, wenn sich Mehrheitsverhältnisse ändern oder jemand einknickt, ist das Thema ganz schnell wieder aus der Tiefkühltruhe geholt." Da habe er auch von den Freien Wählern mehr erwartet. "In der Opposition waren sie gerne mal aufmüpfig, da hätten sie auch in der Koalition härtere Bandagen auffahren können", sagt Becher. Insgesamt sehe er in der Regierungsarbeit nicht viele Unterschiede zwischen beiden Parteien.

Dass im vergangenen Jahr viele grüne Themen auf die Agenda des Landtages und der Regierung gerückt seien, hätten die Grünen vor allem der Klimabewegung und "Fridays for Future" zu verdanken, so Becher. "Natürlich tut es uns super gut, dass die Bewegung da ist", räumt er ein. "Aber 'Fridays for Future" ist auch kein Wahlverein für uns, die haben klare Forderungen an die Politik - und da gehören wir dazu."

Wie Benno Zierer hat sich auch Becher dazu entschieden, bei den Kommunalwahlen 2020 wieder für den Kreistag und den Stadtrat in Moosburg anzutreten, in denen er aktuell sitzt. "Es ist sinnvoll, weil ich Sprecher für kommunale Fragen bin", sagt er. Außerdem sei es für ihn eine Herzensentscheidung gewesen: "Ich bin in Moosburg wohnhaft und hier dahoam."

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